Versuch einer Zusammenfassung der grundlegendsten Probleme der UBF und ihrer Ursachen, zusammengestellt im Juni 2004 vom Webdiener dieser Internetseiten, nach zahlreichen Gesprächen mit ehemaligen UBF-Mitgliedern.
Mittlerweile findet sich im Internet eine kaum noch zu überschauende Menge von Berichten und Beschwerden über UBF. Es stellt sich die Frage, welche Probleme hierbei grundlegend sind und wo die Ursachen dafür liegen. Wie kann es in einer Gruppe, die scheinbar so biblisch und freundlich daherkommt, solch gravierenden geistlichen Missbrauch geben?
Viele ehemalige UBF-Mitglieder sind sich einig, dass fast alle Probleme vom Kern her aus einer unheilvollen Mischung dreier gefährlicher, unbiblischer Elemente herrühren:
- einem Autoritarismus mit extremer Bevormundung der Mitglieder,
- dem nicht überwundenen Konfuzianismus der koreanischen Mitglieder
- und der Leitung und Prägung durch einen Machtmenschen.
Diese drei miteinander zusammenhängenden Kernprobleme werden im Folgenden genauer beschrieben, wobei auf erschöpfende biblische Begründungen hier verzichtet wird, weil diese an anderer Stelle schon hinreichend gegeben wurden (siehe hierzu die weiteren Artikel, Links und Literaturhinweise auf den UBF-Infoseiten). Zum Schluss werden einige der typischen bitteren Früchte aufgezählt, die im Grunde alle aus diesen Kernproblemen resultieren.
1. Autoritarismus und Bevormundung
UBF ist geprägt von hierarchischen, autoritären Strukturen und Verhaltensweisen, die in mehreren Schichten anzutreffen sind. Die erste Schicht ist die der Gemeindeleitung, wenn man die einzelnen UBF-Gruppen in den Universitätsstädten als „Gemeinden“ bezeichnen will (selbst UBF bezeichnet sie meistens als „Zentren“, nicht als „Gemeinden“). Diese Gruppen werden stets von einem einzigen „Gemeindeleiter“ angeführt, der alleine alle Entscheidungen trifft und dem sich jeder unterordnen muss. Einige Zentren haben auch so etwas wie einen „Ältestenrat“, der aber in der Praxis keinerlei Bedeutung hat. Manche UBF-Zentren haben kleine „Filialen“, die versuchen, Universitäten in der Nähe des Hauptzentrums zu „pionieren.“ Solche Unterzentren bestehen oft nur aus einem Ehepaar; dies wird in UBF dann auch als „Hausgemeinde“ bezeichnet wird. Die Unterzentren unterstehen in der Hierarchie natürlich dem Hauptzentrum. Die Gemeindeleiter der Hauptzentren sind wiederum dem nationalen Leiter untergeordnet, der wiederum dem „Generaldirektor“ der UBF untersteht, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Von der Gründung der UBF im Jahr 1962 bis zu seinem Tod im Jahr 2002 spielte Samuel Lee diese Rolle der höchsten Autorität; danach wurde diese Rolle von der Mitgründerin der UBF, Sarah Barry, übernommen. In Europa gibt es noch die Ebene des „Europa-Leiters“ über dem nationalen Leiter, die derzeit von Kaleb Hong in Heidelberg besetzt ist.
Neben diesem pyramidenförmigen System von UBF-Zentren und ihren Leitern gibt es noch eine zweite Schicht autoritärer Strukturen, die aus den für UBF eigentümlichen „Hirte-Schaf“-Beziehungen hervorgeht. Diese Hirte-Schaf-Beziehungen stellen ein wesentliches Element und die Hauptproblemquelle von UBF dar. Das Ziel der Missionierung und Evangelisierung von Studenten ist für UBF gleichbedeutend damit, sie zu Mitgliedern der Gruppe zu machen. Jeder eingeladene Student bekommt hierzu einen persönlichen „Hirten“ zugeteilt, meist denjenigen, von dem das „Schaf“ eingeladen wurde. Damit beginnt die offizielle Hirte-Schaf-Beziehung. Danach wird von dem Studenten verlangt, jede Woche ohne zu Fehlen am „Zweierbibelstudium“ teilzunehmen. Die Beziehung ist zunächst herzlich und freundlich, wird dann jedoch immer kontrollierender und fordernder. Das Schaf wird dahingehend programmiert, den Hirten als Autorität anzusehen und ihm immer mehr zu gehorchen. Nur die älteren, völlig loyalen Mitglieder und „Missionare“ dürfen an einem Gruppenbibelstudium statt des Zweierbibelstudiums teilnehmen. Ansonsten ist jedes Mitglied zum wöchentlichen Zweierbibelstudium mit seinem jeweiligen offiziellen Hirten verpflichtet. Im Bibelstudium werden niemals diese Rollen vertauscht. Die Schafe werden so schließlich zum langfristigen „absoluten Gehorsam“ gegenüber ihrem Hirten geführt und in dieser merkwürdigen hierarchischen Zweierbeziehung auf Dauer abhängig gemacht. Dieses ungesunde und gefährliche System hat UBF nicht erfunden. Es grassierte bereits während der Gründungsphase der UBF unter der Bezeichnung „Shepherding-“ oder „Discipling“-Bewegung in den USA. Samuel Lee hat dieses System der „Jüngererziehung“ wahrscheinlich durch Kopieren einiger Aspekte der „Navigatoren“ kennen gelernt und in noch extremerer Form in Korea umgesetzt.
Diese Shepherding/Discipling-Bewegung in den USA war zwar, gemessen an Zahl und Hingabe der gewonnenen „Jünger“, sehr erfolgreich, aber schon bald wurden die schädlichen Auswirkungen der ungesunden, abhängig machenden und autoritären Zweierbeziehungen sichtbar, die schließlich meist in „geistlichem Missbrauch“ endeten. Es wurden letztlich keine Jünger Jesu gewonnen, die freiwillig Gott dienen, sondern Jünger charismatischer Leiter und Jünger autoritärer Systeme, die gezwungen diesen Systemen dienen. Das andere Ergebnis waren zahlreiche kleine Tyrannen, die als Machtmenschen über diese Jünger herrschten. Als dies überall mehr und mehr sichtbar wurde, distanzierten sich die meisten Gemeinden und sogar die Urheber der Shepherding-Bewegung wieder davon und gaben eine Erklärung des Bedauerns ab, und die meisten der hierarchischen Systeme stürzten daher wie Kartenhäuser in sich zusammen. Die gesamte Lehre und Praxis der Shepherding-Bewegung wurde in der Folge fast überall verworfen, und nur UBF und einige sektenähnliche Gruppen wie die „ICoC“ praktizieren sie noch.
UBF hielt jedoch weiter an seinem Shepherding-System fest, auch nachdem man angefangen hatte, sich unter dem Namen der „Weltmission“ zu einer weltweiten Bewegung auszuweiten. Der Grund für das Festhalten der UBF an diesem problematischen System war nicht etwa, dass sich bei UBF in Korea im Gegensatz zu der Shepherding-Bewegung in den USA keine negativen Auswirkungen zeigten. Interessanterweise hatten nämlich zur selben Zeit, als die Gründer der Shepherding-Bewegung in den USA sich wieder davon distanzierten und entschuldigten, auch die Probleme in der UBF so überhand genommen, dass die zweite Ebene von Gemeindeleitern der UBF in Korea trotz ihrer nach westlichen Maßstäben kaum vorstellbaren Hochachtung von Loyalität einen offenen Brief an Samuel Lee schrieb, in dem sie ihre Verzweiflung über alle diese Missstände und den geistlichen Missbrauch durch Samuel Lee äußerten. Im Gegensatz zu den Urhebern der Shepherding-Bewegung in den USA, die sich am Ende einsichtig zeigten, beharrte Samuel Lee jedoch weiter auf seinem autoritären System, nannte diese erste Kritik in den 1970er Jahren an UBF (oder eigentlich an ihm) eine „Rebellion“ und brachte die jüngeren Mitglieder gegen die Kritiker auf, sodass diese UBF verlassen mussten und eine eigene Studentenmission namens „Evangelical Students Fellowship“ (ESF) gründeten.
Neben der Hierarchie von Leitern und den Autoritätsstrukturen, die sich aus den Hirte-Schaf-Beziehungen ergeben, gibt es noch die Hierarchien zwischen „Missionaren“ (Koreanern) und „Hirten“ (Einheimischen), zwischen Älteren und Jüngeren, zwischen langzeitigen oder gar Gründungsmitgliedern und neueren Mitgliedern, und zwischen denjenigen, die einen Doktortitel haben, und dem normalen „Fußvolk.“ Doktortitel werden in UBF sehr hoch geschätzt, weswegen sich Samuel Lee gleich zwei davon gekauft hat. Aufgrund seiner Topposition in all diesen Hierarchien war Samuel Lee in jeder Hinsicht unangreifbar und die oberste Autorität.
In UBF wird das hierarchische, autoritäre System als „geistliche Ordnung“ bezeichnet, die mit der Ordnung verglichen wird, die Gott bei Schaffung der Welt errichtet hat, und die nicht weiter hinterfragt werden kann. Den meisten UBF-Mitgliedern ist nicht bewusst, dass die Bibel autoritäre und hierarchische Gemeindeleitung eigentlich strikt verbietet, und dass dies Anliegen einer dienenden statt herrschenden Leiterschaft eines der wichtigsten Anliegen war, die Jesus seinen Jüngern vermitteln wollte (vgl. Mt 23,1-15; Mk 10,35-45; Lk 22,24-27; Joh 13,12-17). Auch in den Briefen des Neuen Testaments werden diese Probleme immer wieder erwähnt. Nach der Bibel sollen in der Gemeinde zunächst alle gleichwertige „Brüder“ sein. Statt autoritärer Leitung „von oben herab“ soll dienende Leiterschaft ausgeübt werden, und das Haupt der Gemeinde soll Jesus Christus sein. Natürlich behauptet die UBF-Leitung, dass sie nicht herrsche, sondern diene, aber die Praxis der UBF ist meist das exakte Gegenteil von dem, was dort behauptet wird. Die in UBF praktizierte Ein-Mann-Leiterschaft und die kontrollierenden Hirte-Schaf-Beziehungen widersprechen fundamentalen Prinzipien von Gemeindeleitung mittels biblischer Ältestenschaft, wie sie im Neuen Testament klar aufgezeigt werden.
Der Autoritarismus in UBF führt dazu, dass Menschen statt in der Freiheit Christi in der Abhängigkeit und Gefangenschaft von Menschen und Systemen leben, dass sie unselbstständige, roboterhafte Wesen ohne echte Liebe werden. Die bittere Frucht des geistlichen Missbrauchs ist überall sichtbar, wo unbiblischer Autoritarismus gelehrt und ausgeübt wird. Zwar werden Menschen scheinbar sehr schnell zum Glauben geführt, doch nicht zur Freiheit Christi. Sie können ihre geistlichen Gaben weder entdecken noch entfalten, und leben nach den Schemata und Forderungen eines Systems, das zwar auch von der „Rechtfertigung durch den Glauben“ reden mag, letztlich aber als Rechtfertigung doch nur die Werke, die das System vorschreibt, und den Gehorsam gegenüber dessen Leitern anerkennt. Ein Mitglied einer UBF ähnlichen Gruppe in den USA brachte das Problem einmal so auf den Punkt: „They save you, and then enslave you“, was man auf Deutsch etwa so wiedergeben könnte: „Du wirst gerettet, und dann angekettet“. Es ist die Frage, ob jemand, der in einem solchen System mehr Angst vor Menschen als vor Gott hat, nicht „geistlicher toter“ ist, als er es vorher war, als er noch „ungläubig“ war.
Es ist wirklich die Frage, was für ein Glaube und was für ein Gottesbild durch den Autoritarismus auf Dauer letztlich bei den Mitgliedern der UBF erzeugt wird. Wozu braucht ein Gott, der von seinen Kindern als „Abba, lieber Vater“ (Röm 8,15) angesprochen werden will und ihnen seinen Heiligen Geist gibt, autoritäre Leiter, die letztlich als Mittler seines Willens auftreten und Gottes Stelle in ihrem Leben usurpieren? Wenn in UBF die Leiter Eheschließungen arrangieren und es als „Glaubensheirat“ bezeichnen, wenn jemand sich den Ehepartner von seinem Leiter bestimmten lässt, was für ein „Glaube“ ist das? Auf jeden Fall ist der Glaube in UBF weit entfernt von dem eines selbstständigen, verantwortlichen, freien, verständigen und allein von Gott abhängigen Christen. Die „Glaubensheirat“ in UBF ist nur eines der am häufigsten erwähnten Beispiele dafür, wie Mitglieder in diesem System völlig entmündigt werden. Das „Bibelstudium“ in UBF ist zudem völlig einseitig und oberflächlich. Obwohl sie sich „Bibellehrer“ nennen, haben UBF-Mitglieder meist nicht einmal theologische Grundkenntnisse, und haben völlig verlernt, selbstständig zu denken und zu studieren, und ihr Bibelstudium besteht nur darin, wöchentlich aufs Neue die immer gleichartigen vorgegebenen „Fragebögen“ und „Lektionen“ der UBF zu verinnerlichen. Die „Bibellehrer“ in UBF wiederholen bloß die gleichen Gedanken, die ihnen selbst in vielen Jahren in UBF durch immerwährende Wiederholung eingeprägt worden sind.
Ein System, das von Autoritarismus geprägt ist, führt letztlich immer zu einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“. Es gibt dort diejenigen, die Autorität haben, und diejenigen, die sie nicht haben. Für diese beiden Gruppen gelten völlig unterschiedliche Regeln. Diejenigen, die Autorität haben, meinen, keinerlei Rechenschaft mehr für ihr Handeln ablegen zu müssen. Von den anderen wird aber verlangt, ständig Rechenschaft über ihre Leben abzulegen. Dies manifestiert sich in den UBF-typischen „Stellungnahmen“ (auch „Sogams“ genannt), die wöchentlich geschrieben werden und vor allen anderen in der Gruppe vorgetragen werden müssen. Darin geht es hauptsächlich darum, dafür Buße zu tun, dass man in der vergangenen Woche nicht fleißig oder gehorsam genug im Sinne der UBF gewesen ist, und zu versprechen, dass man es in der nächsten Woche viel besser machen will, was natürlich normalerweise misslingt, so dass der wöchentliche Kreislauf von neuem anfängt. Während die autoritären Leiter niemals kritisiert oder gar verurteilt werden dürfen, ist es sozusagen das Geschäft von UBF-Leitern, die „Schafe“ ständig zu kritisieren und ihnen das Gefühl zu geben, unwürdig und schuldig zu sein oder nicht genug im Sinne von UBF zu leisten. Diese Leiter meinen auch, dass sie die Autorität haben, die „Unterschicht“ auf jede erdenkliche Art bestrafen zu dürfen. Dies wird in UBF auch als „Jüngererziehung“ bezeichnet.
Die hierarchische und autoritäre Struktur macht UBF auch zu einer Kopiermaschine für Menschen. Ideologie, Lehre, Praktiken, Methoden bis hin zu Manieriertheiten des obersten Leiters (wie seine Art sich zu räuspern, mit den Augen zu blinzeln, oder abgehackt zu sprechen) wurden von den anderen Leitern und schließlich auf alle Mitglieder kopiert. Psychologische Untersuchungen von Mitgliedern sektenähnlicher Gruppen ergaben, dass man praktisch nur noch einen einzigen Persönlichkeitstyp – die Persönlichkeit des Leiters – bei allen Mitgliedern der Gruppe feststellen konnte. Auch in UBF ist dies der Fall. Selbst die Kleiderordnung ist vorgeschrieben. Man könnte fast sagen, dass UBF das Klonen erfunden hat, lange bevor es das Schaf Dolly gab. Die derzeitige Leiterin der UBF schildert in einem Brief aus dem Jahr 1970, wie Samuel Lee bereits damals diese große Kopiermaschine in Gang setzte: „Herr Lee berief 7 oder 8 Seniorhirten ein und hielt ein Seminar über Genesis. Jeder dieser Studenten-Leiter bereitete einen Notizblock vor, gefüllt mit Fragen zur Hausarbeit und 7 vollständigen Lektionen. Dann hielt jeder dieser Senioren ein ähnliches Seminar für 5 oder 6 jüngere Leiter. Jeder, der gelernt hatte, sollte jemand anderen lehren. Einige der jüngeren Leiter haben 3 oder 4 Kommilitonen gelehrt, einen nach dem anderen, und fast alle von ihnen haben danach wieder jemand anderen gelehrt.“ Auf diese Weise hatte Herr Lee seine Ideen effektiv direkt in die Köpfe von Hunderten von Mitgliedern gebracht, von denen einige die heutigen UBF-Leiter sind. Der Kopiermechanismus wird verstärkt durch die Abschottung der UBF gegenüber allen anderen Gruppen und Kirchen, und durch das ständige Beschäftigtsein mit sich selbst macht UBF zu einer Gruppe, die nur noch „im eigenen Saft“ brät und in der alle Denk- und Verhaltensweisen von anderen, höherrangigen Mitgliedern der Gruppe imitiert werden. Man kann hier durchaus von sozialer und geistlicher Inzucht sprechen, mit den entsprechenden langfristigen negativen Auswirkungen. Während die ersten „Stellungnahmen“, die „Schafe“ und neue UBF-Mitglieder vortragen, oft sehr interessant, erfrischend andersartig, aufrichtig und originell sind, kann man beobachten, wie sich diese Stellungnahmen und die Persönlichkeit Woche für Woche immer mehr dem UBF-Standard anpassen. Es ist auch erschreckend zu sehen, wie einheimische Mitglieder im Laufe der Zeit nicht nur den UBF-Jargon, sondern sogar die Aussprache- und Grammatikfehler der koreanischen „Missionare“ übernehmen. Dieser Kopiermechanismus ist ein deutliches Kennzeichen und eine negative Auswirkung der autoritären Grundstruktur der UBF.
Mit dem Autoritarismus in UBF hängt das weitere Problem zusammen, dass es in UBF für Mitglieder keinen Weg gibt, irgendeine Kritik zu äußern oder Leiter zur Rechenschaft zu ziehen. Die UBF-Leiter sind nicht bereit, irgendeine Art von Rechenschaft für ihr Handeln abzulegen, auch nicht den Mitgliedern gegenüber. Sie fühlen sich nur ihren übergeordneten Leitern gegenüber verpflichtet, und der oberste Leiter fühlt sich entsprechend überhaupt keinem Menschen gegenüber verantwortlich. Kritik wird grundsätzlich als „ungeistlich“ gebrandmarkt. Berichte über geistlichen Missbrauch werden vertuscht oder als „Verleumdungskampagne“ hingestellt. Kritische Mitglieder haben nur die Wahl, sich entweder mit den Missständen abzufinden, oder UBF zu verlassen. Es wird gefordert, dass man den Leitern einfach völlig vertraut, weil diese einem eben von Gott „vorgesetzt“ worden seien. Beweis hierfür sei, dass man in UBF eingeladen und zum Glauben an Gott gekommen sei. Dies allein wird als Grund zu ewiger Verpflichtung und Dankbarkeit dargestellt. Auch in finanzieller Hinsicht wird den Mitgliedern vom Hauptquartier keinerlei Rechenschaft in Form eines ordentlichen und vollständigen Kassenberichts abgeliefert. Wer Fragen hinsichtlich finanzieller Dinge stellt, wird als einer gebrandmarkt, der sich nur für Geld interessiert. Da kein Mitglied als geldgierig erscheinen möchte (und die meisten normalen Mitglieder sind es auch nicht), stellt niemand Fragen. In UBF gab es seit Jahrzehnten (von Anfang an) keinerlei Kontrolle oder Überwachung der finanziellen Angelegenheiten, in einem pyramidenförmigen System, wo alle Opfergelder der UBF-Gemeinden immer an die Spitze zum Hauptquartier fließen. Und an der Spitze der Pyramide wurde alles Geld persönlich von Samuel Lee verwaltet.
Noch einmal: Je höher jemand in der Hierarchie der UBF steht, umso mehr Macht und Verantwortung hat er, aber umso weniger muss er Rechenschaft ablegen. Während jedes „Schaf“ noch seinem Hirten Rechenschaft ablegen muss, warum es nicht den „Zehnten in voller Höhe“ bringt, nicht regelmäßig „Stellungnahme schreibt“ oder „Fischen geht“, braucht ein Leiter nur dem nächsthöheren Leiter Rechenschaft abzulegen. Und der oberste Leiter braucht niemandem mehr Rechenschaft abzulegen, auch wenn er über all die Millionen von Dollars verfügt, die hart arbeitende Mitglieder unter echten Entbehrungen geopfert haben.
Auch Mitglieder in den „unteren Etagen“ meinen, in diesem System eine gewisse Stellung zu haben, auf die sie stolz sind, zumal sie sich sowieso allen Ungläubigen und „faulen Christen“ überlegen fühlen. Viele Probleme begannen, als man anfing, „Weltmission“ zu propagieren. Waren die koreanischen Mitglieder vorher nur einfache, arme Menschen aus einem Land der dritten Welt waren, ohne Aussicht darauf, einmal etwas Besonderes zu erleben, konnten sie sich nun als „Missionare“ bezeichnen und auf diesen Titel stolz sein. Sie konnten das Gefühl haben, die Welt mit UBF zu „erobern“ und zu „beherrschen“. Dabei durfte sich jeder „Missionar“ nennen, der in ein fremdes Land oder nur auf eine koreanische Insel reiste. (Echte christliche Mission hat normalerweise nicht damit zu tun hat, woher man ausgesandt ist, und wie weit man gereist ist, sondern wohin man ausgesandt ist, z.B. zu einer unerreichten Volksgruppe, und ob man eine entsprechende theologische und missiologische Ausbildung hat, die in UBF niemand hat.)
Die langjährige Erfahrung in der christlichen Mission – unabhängig von UBF – zeigt, dass es in fast allen Fällen, wo Missionare selbst auf Dauer Leiter in den von ihnen gegründeten Gemeinden wurden, irgendwann zu Autoritätsmissbrauch und ähnlichen Problemen kam, wie sie auch in UBF beobachtet werden. Daher ist es außerhalb von UBF üblich, dass Missionare nach einiger Zeit wieder fortziehen, die Arbeit an einheimische Älteste und Pastoren übergeben, und sich neue Betätigungsfelder suchen. Dies entspricht auch der in der Apostelgeschichte sichtbaren biblischen Praxis. Die längste Zeit, die Paulus in einer Gemeinde verbrachte, waren drei Jahre, er machte sich niemals zum Leiter, sondern setzte immer relativ schnell Älteste unter den Gemeindegliedern ein. In UBF werden aber Missionare mit dem erklärten Ziel ausgesandt, eigene Gemeinden zu gründen (zu „pionieren“), in denen sie jahrzehntelang als Leiter fungieren. Dies kann einfach nicht gut gehen. Wie schnell Missionaren und Gemeindegründern von dem Gemeindegliedern ein zu hoher Stellenwert beigemessen wird, zeigen Bibelstellen wie Apg 14,11-15 oder 1.Kor 3,4-23. Paulus musste immer wieder darauf hinwirken, dass er nicht selbst im Mittelpunkt stand, sondern Jesus, den er verkündigte. Paulus hatte den eigenständigen Glauben der Gemeindemitglieder zum Ziel und war nicht der Meinung, sie ständig kontrollieren, erziehen und trainieren zu müssen. (Während der 1950er Jahre arbeiteten echte amerikanische Missionare in Korea, die bis zu 50 Gemeinden auf einmal bei der Aufbauarbeit halfen. Die amerikanischen Missionare hatten in den Gemeinden keine besondere Stellung inne, sondern halfen den koreanischen Pastoren einfach überall dort, wo sie für den Gemeindeaufbau Unterstützung brauchten. Das ist das direkte Gegenteil von dem, was Sarah Barry mit UBF gemacht hat.)
Es gibt im autoritären System von UBF keinerlei Art von „Gewaltenteilung“. Das Fehlen dieser Gewaltenteilung wird in UBF damit begründet, dass dies in einer solch wunderbaren, geistlichen, christlichen Gemeinde nicht nötig sei, und dass die Leiter ja „Knechte Gottes“ und unbedingt und immer vertrauenswürdig seien. Damit wird die biblische Wahrheit ignoriert, dass Menschen gefallene Wesen sind, die im Herzen völlig verdorben sind. Auch für einen Christen besteht immer noch die Gefahr und Versuchung, der Sünde nachzugeben, und diese Gefahr wird geradezu heraufbeschworen, wenn ein Leiter in eine Position unkontrollierter Macht gebracht wird. An der Formulierung der amerikanische Verfassung waren Presbyterianer maßgeblich beteiligt, und die dort verankerte Idee der Gewaltenteilung entspringt deutlich reformierter Theologie und deren Lehre der völligen Verdorbenheit des Menschen. UBF-Leiter behaupten zwar, einen presbyterianischen Hintergrund zu haben, aber das völlige Ignorieren von Gewaltenteilung bei der Gemeindeleitung zeigt, dass sie in Wirklichkeit einen ganz anderen Hintergrund haben, nämlich den Konfuzianismus.
Eine hierarchische Organisation wie UBF muss letztlich immer scheitern, weil aller Erfolg der Organisation, jeder in UBF neu Bekehrte, letztlich dem System und dem Menschen an der Spitze der UBF zugerechnet wird, dessen Ehre und Lob über alle Maßen wächst, die ein Mensch ertragen kann, obwohl das Wachstum der UBF nicht ihm, der selbst nichts tut, sondern den hart arbeitenden Menschen an der Basis zuzuschreiben ist. Vor allem wird demjenigen, dem eigentlich alle Ehre gebührt, nämlich Gott, durch UBF die Ehre systematisch vorenthalten. Jede derartige Organisation ist daher im Grunde ein Unterfangen wie der Turmbau zu Babel. Wie man nach vierzig Jahren UBF auch deutlich erkennen kann, wurde das Unterfangen auch nicht gesegnet. Von Wachstum und Erfolg kann man nicht mehr sprechen, sondern nur von einem jämmerlichen Misserfolg, der zudem großes Leid über viele Menschen und dem Namen Gottes Unehre gebracht hat.
2. Nicht überwundener Konfuzianismus
Der Autoritarismus, wie er in der Shepherding/Discipling-Bewegung ausgeübt wurde, ist dem westlichen Denken einigermaßen fremd. Daher hielten es die Gründer dieser Bewegung in den USA für nötig, eine eigene (unbiblische) Lehre von der so genannten „geistlichen Deckung“ („Spiritual Covering“) aufzustellen. Sie besagt, dass jeder Christ ein Jünger oder Schaf eines anderen Christen sein muss. Der „Hirte“ oder „Jüngererzieher“ („Discipler“) ist dabei die „geistliche Deckung“ des „Schafs“ oder „Jüngers“. Diese Deckung sorgt nicht nur dafür, dass der Christ geistlich wachsen kann, sondern gibt ihm auch Orientierung und verleiht ihm die Autorität, Hirte oder Jüngererzieher anderer Christen zu werden. Das Schaf braucht seinem Hirten nur blind zu folgen und zu gehorchen, der ihm als Deckung auch die Verantwortung für sein eigenes Handeln abnimmt. Die Verantwortung eines Christen liegt dann nicht darin, Entscheidungen nach dem an das Wort gebundenen Gewissen und Verstand zu treffen, sondern lediglich darin, seinem vorgesetzten Hirten zu folgen und zu gehorchen.
Auf diese Weise entsteht eine Kette von geistlichen Deckungen, an deren Spitze stets der Leiter und Gründer der jeweiligen Bewegung steht, der keine geistliche Deckung mehr hat und sich direkt auf Gott beruft. Warum für ihn das Prinzip der geistlichen Deckung durch einen Menschen nicht mehr gilt, beantwortet diese Lehre nicht. Für westliche Menschen und Christen, die das Evangelium wirklich kennen, sind die Fehler und Ungereimtheiten dieser Lehre ganz offensichtlich, sobald sie einmal erkannt haben, was hier im Grunde gelehrt wird. Meist wird daher versucht, die Lehre nicht offen auszusprechen.
Für einen von der konfuzianistisch-asiatischen Denkweise geprägten Koreaner ist die Lehre von der geistlichen Deckung aber völlig eingängig. UBF wurde in Korea gegründet und der Großteil der Mitglieder sind Koreaner. Es war für Samuel Lee nicht einmal nötig, eine besondere Lehre aufzustellen, oder den Begriff der „geistlichen Deckung“ heranzuziehen, denn dies lag ihnen sozusagen schon im Blut. In UBF wird das pyramidenförmige hierarchische System wie gesagt einfach als gottgegebene „geistliche Ordnung“ bezeichnet und ist für die Mitglieder etwas völlig Selbstverständliches und nicht hinterfragbar. Die Koreaner in UBF sind tief geprägt von der konfuzianistischen Philosophie, nach der man sich immer in eine gegebene Hierarchie einordnen und dort ohne zu fragen als Rädchen im Getriebe funktionieren muss. Dies gilt insbesondere für die Mitglieder aus der Gründerzeit und der ersten Phase der UBF, die jetzt die oberste Schichte von Leitern bilden. Im Westen unantastbare Werte wie Demokratie, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit und Menschenrechte, die für das christliche Abendland durch bittere Lektionen in der Geschichte immer kostbarer geworden sind, haben bei konfuzianistisch geprägten Asiaten nicht diese große Beachtung. Diese Wertmaßstäbe kommen vielen Koreanern fremd oder suspekt vor, weil sie ihnen vom Westen aufgedrückt und nicht ihrer eigenen konfuzianistischen Mentalität zu entsprechen scheinen.
Der Konfuzianismus verlangt als gesellschaftliche Ideologie die Unterordnung des Sohnes gegenüber dem Vater, des Jüngeren gegenüber dem Älteren, der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann und des Volkes gegenüber dem Thron. Er lehrt die kindliche Frömmigkeit, die Verehrung der Ahnen und die Treue gegenüber Freunden. Mit der bereits durch die koreanische Kultur vorgegebenen konfuzianistischen Denkweise war gewissermaßen schon der geistige Unterbau für ein System wie UBF gegeben. Der Schritt von der konfuzianischen feudalen Ordnung zur „geistlichen Ordnung“ in UBF ist für einen Koreaner sehr klein. In UBF ist es wichtiger, sich in das System einzuordnen und sich dem jeweiligen Hirten oder Leiter unterzuordnen, als sich Gott unterzuordnen, dem gegenüber der Begriff „geistliche Ordnung“ vielleicht angebracht wäre. Obwohl dieser Begriff, insbesondere gebraucht für menschliche hierarchische Systeme, in der Bibel nirgends vorkommt, ist er doch für die koreanischen Mitglieder eine völlig klare und nicht zu hinterfragende Sache. UBF benötigt wie gesagt keine besondere eigene Lehre über geistliche Deckung, weil dies schon im asiatischen Denken mit enthalten ist, und bei den Koreanern nur an die konfuzianistischen Werte appelliert werden muss. Dies ist auch der Grund, warum das Modell UBF in Ländern ohne diesen konfuzianistischen Hintergrund trotz der immensen Bemühungen nie einen wirklichen Erfolg erzielen konnte.
Nach der Lehre von der geistlichen Deckung werden alle Taten und Sünden, die jemand im Namen des Systems begeht, weil er seinem „Vorgesetzten“ gehorcht, von diesem Vorgesetzten gedeckt. Die Mitglieder können an der Schwelle von UBF ihre eigene Verantwortung abgeben, und brauchen eigentlich nur noch wie Roboter zu gehorchen, was in gewissem Sinne auch ein einfacher und bequemer Lebensstil ist. Dieses Prinzip ist jedoch völlig unbiblisch und läuft sogar jeder weltlichen Moral oder Norm zuwider. In den Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sich die Schergen des Nazi-Regimes zum Beispiel auch nicht damit herausreden, dass sie nur ihrem Vorgesetzten oder „dem Führer“ gehorcht hätten.
In UBF hat jedes Mitglied als geistliche Deckung seinen Hirten, dem man absolut gehorchen muss. Dieser absolute Gehorsam gegenüber einem menschlichen Hirten wird in UBF als „Glaube“ dargestellt. Orientierung wird in entscheidenden Fragen stets von den Hirten und Leitern gegeben, nicht direkt von Gott durch sein Wort oder den Heiligen Geist. Der Hirte steht immer zwischen Gott und dem Schaf. Lediglich der Leiter an der Spitze der Pyramide von Schafen und Hirten hat keinen Hirten. Samuel Lee erklärte das in seinem Neujahrsbrief 2001 lapidar so: „Weil ich keinen Hirten habe, nahm ich Apostel Paulus als meinen Hirten an, und ich machte seine Briefe zu meinen Lehrbüchern, und auf diese Weise bin ich bis jetzt gewachsen.“ Anscheinend hat sich niemand in UBF über eine derartige Ungereimtheit gewundert. Wieso ist ausgerechnet Lee, der als Einziger keinen Hirten hatte, angeblich am meisten geistlich gewachsen? Warum sollten die anderen dann nicht auch einfach Apostel Paulus als Hirten annehmen und so großartig geistlich wachsen? Und warum soll man überhaupt Apostel Paulus als seinen Hirten annehmen, wo die Bibel doch klar sagt, dass Jesus selbst der beste Hirte und das Haupt der Gemeinde ist? Apostel Paulus schrieb selber: „Wer ist nun Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und das, wie es der Herr einem jeden gegeben hat: … Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. … Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Die Ungereimtheiten und Widersprüche in der Lehre und Ideologie, die UBF zugrunde liegt, sind eigentlich schreiend und unübersehbar. Doch dies trifft auch für andere Ideologien zu, die weit mehr Anhänger haben. Menschen neigen dazu, das zu glauben, was sie glauben wollen, und lassen sich dabei oft auch nicht von logischen Widersprüchen und der Realität beirren.
In UBF wird auch eine Art „Kultur ewiger Dankbarkeit” gepflegt, die sicherlich ebenfalls einen Hintergrund in der asiatischen Kultur hat. Eine gewisse Zeit lang investiert der Hirte sehr viel „Liebe“, Aufmerksamkeit, Zeit, Geld usw. für sein Schaf. In der Anfangsphase duldet er von seinem Schaf alles (das Schaf wird „getragen“, wie es in UBF heißt). Sobald das Schaf aber nicht nur gläubig geworden ist, sondern sich auch selbst zur Mitarbeit in UBF verpflichtet hat – und darauf zielt alles ab –, wird von dem Schaf erwartet, dass es die ganze „Liebe“ des Hirten durch ewige Loyalität und seine eigene Hingabe als „Hirte“ in UBF wieder zurückzahlt. Da es mit dem Glauben um einen ewigen Wert geht, den jemand erhalten hat, wird man sozusagen zu ewigem Dank gegenüber der UBF verpflichtet, und alle Liebe muss der UBF und dem Hirten zurückerstattet werden. Für jemanden, der bei UBF zum Glauben gekommen ist, ist alles durch diesen Glauben gerechtfertigt, dass man in UBF ewiges Heil bekommen hat, weswegen UBF „Gottes Werk“ sein muss und nicht hinterfragt werden kann. Das Werk in Frage zu stellen, durch das man gerettet wurde, wird als die schlimmste Art von Undankbarkeit angesehen. Man muss UBF nun immer dankbar bleiben und darf nichts kritisieren, egal was geschieht. Man hat einfach kein Recht mehr dazu – nur die Pflicht dankbar zu sein, sowohl dem System als auch dessen Leitern gegenüber.
Die koreanische Sprache kennt sechs Höflichkeitsstufen, und es ist in der koreanischen Kultur extrem wichtig, sich gegenseitig mit der gebührenden Anrede anzureden. Selbst kleine Kinder innerhalb der Familie müssen sich schon mit der richtigen Bezeichnung ansprechen, abhängig davon, ob z.B. der Bruder von seiner Schwester oder von seinem Bruder angesprochen wird, und ob er älter ist oder nicht. Die hierarchische Denkweise in UBF ist tatsächlich tief in der koreanischen Tradition verwurzelt. Diese Tradition wurde auch ungeprüft in UBF übernommen, wo sich die Mitarbeiter stets mit ihrem Titel „Hirte“ oder „Missionar“ anreden. Dies scheint eine Kleinigkeit zu sein, stützt aber das hierarchische System der UBF enorm. Und es widerspricht biblischen Prinzipien. In der Bibel wird außer Jesus (Rabbi, Meister, Christus, Herr) niemand mit einem Ehrentitel angeredet. Selbst Paulus wird nicht „der heilige Paulus“, „Missionar Paulus“ oder „Apostel Paulus“ genannt. Der Vorname genügte bei den Aposteln. Petrus wurde von Jesus selbst zum Hirten berufen und er war ein viel besserer Hirte als jeder andere. Dennoch wurde auch er nicht „Hirte Petrus“ genannt. Jesus selbst lehrte, dass niemand sich mit Titel wie „Rabbi“, „Lehrer“ oder gar „Vater“ schmücken sollte, sondern dass sich alle als Brüder ansehen sollten. Laut Bibel sind alle Menschen gleich, nur Gott steht über ihnen. Insbesondere die Sündenvergebung durch Jesus schafft unter den Gläubigen eine Situation, in der sich niemand mehr über den anderen erheben sollte. Sie alle sollen sich in Jesus Christus nur noch als Brüder und Schwestern ansehen, und „Rangunterschiede“ zwischen reich und arm, Herr und Sklave, Jude und Nichtjude, sogar Mann und Frau sollten von Christen nicht gemacht werden (Mt 23,8; Gal 3,28; Kol 3,11; Jak 2,1). Für einen Koreaner oder Asiaten allgemein sind zwei Menschen aber niemals gleich im Rang. Zwei Fremde, die miteinander sprechen, versuchen immer zuerst zu ergründen, wer den höheren Rang, das höhere Alter oder dergleichen hat. Deswegen ist es unmöglich, seinen Leiter zurechtzuweisen. Daher werden Leiter bei Vergehen auch nicht zurechtgewiesen und korrigieren sich nicht, falls sie nicht selbst darauf kommen, dass sie etwas Falsches tun, was aber eher unwahrscheinlich ist, denn die eigenen Fehler sieht man meist nicht. Dieses Hierarchiedenken funktioniert aber auch in die andere Richtung. Wird der Leiter doch einmal ermahnt, so ist er brüskiert darüber, dass ein Rangniederer ihn zurechtweisen will und nimmt seine Ermahnung nicht an: „Wie? Du willst mich lehren?“ Die Folge ist, dass der Leiter zuerst seine Machtposition beweisen muss, und der arme Dummkopf, der es gewagt hat, ihn zu kritisieren, erst einmal seine Bestrafung über sich ergehen lassen darf. Danach überlegt er es sich natürlich zweimal, ob er ihn wieder kritisiert. Wer sich dem System widersetzt, ist rebellisch und handelt damit gemäß der koreanischen Kultur falsch.
Wichtig ist in dieser Kultur nicht nur, sich in ein System einzuordnen, sondern auch das Ansehen in der Gemeinschaft. Man muss stets sein „Gesicht wahren“, und es wird als schlimmer „Gesichtsverlust“ angesehen, wenn man in Anwesenheit anderer beleidigt oder offen kritisiert wird. Es geht hier überhaupt nicht darum, ob eine Kritik gerechtfertigt ist oder nicht, oder ob eine Aussage wahr ist oder nicht. Es geht nur darum Gesicht zu haben und zu wahren. Darum sind die koreanischen Leiter der UBF auch nicht bereit, irgendeinen Fehler offen zuzugeben oder Kritik anzunehmen. Obwohl sie sich als Christen bezeichnen, ist es ihnen so gut wie unmöglich, Buße für eine konkrete Verfehlung zu tun, ein öffentliches Bekenntnis abzulegen oder sich zu entschuldigen. All dies würde als verheerender Autoritäts- und Gesichtsverlust angesehen. Übrigens verliert in dieser Kultur auch derjenige, der einem anderen das Gesicht nimmt, dabei sein eigenes Gesicht. Er hat „unwürdig“ gehandelt, was immer auch Gesichtsverlust bedeutet. Dies ist der Grund, warum von Koreanern in UBF relativ wenig Kritik veröffentlicht wird. Gerade über die besonders schwerwiegenden und peinlichen Missbrauchsfälle schweigt man, weil derjenige, der über so etwas spricht, dabei selbst sein Gesicht und seine Würde verlieren würde.
Zwar vertritt der Konfuzianismus durchaus auch einige gute und christliche Werte, wie etwa den Respekt vor den Eltern und Vorgesetzten, aber in vielen anderen Punkten ist er völlig inkompatibel mit dem christlichen Glauben. Letztlich spielt die Wahrheit keine Rolle mehr und Buße ist unmöglich, wenn es nur noch darum geht, sein Gesicht und seine Stellung und die seiner Vorgesetzten zu wahren. Tragisch ist, dass sich die meisten koreanischen „Missionare“ in UBF dieser Widersprüche zum christlichen Glauben überhaupt nicht bewusst sind, sondern im Gegenteil der Meinung sind, dass Konfuzianismus sich gut mit dem Christentum verträgt, oder gar das Christentum nur noch als das „Sahnehäubchen“ ansehen, das ihrer konfuzianistischen Weltanschauung noch fehlt, um sie vollkommen zu machen. Ein bekannter koreanischer Theologe sagte einmal überspitzt: „Christen in Südkorea sind nicht progressiv oder liberal, unsere Christen sind in christliche Kleider gehüllte Konfuzianisten.“ Hinsichtlich der Koreaner in UBF scheint dies zumindest sehr zutreffend zu sein. Im Endeffekt ist die „UBF-Religion“ lediglich hinter christlicher Fassade versteckter Konfuzianismus mit der UBF-Gemeinschaft als höchstem Gut. Man könnte auch sagen, dass der Konfuzianismus der eigentliche Unterbau oder das wahre Fundament der UBF ist, die Bibel dagegen nur ein aufgesetzter Überbau.
Ebenfalls einen kulturellen Hintergrund könnte ein gewisser Aberglaube und „magisches Denken“ in UBF haben. Demnach wird man immer gesegnet, wenn man seinen Leitern gehorcht, während man tragische Unglücke erleben könnte, wenn man ihnen nicht gehorcht. Derartige Gedanken wurden von Samuel Lee sogar in seinen Sonntagspredigten proklamiert. „Magische Denken“ wird in UBF oft für „Glauben“ gehalten. Eine von UBF-Leitern arrangierte Heirat ist nach dieser Denkweise auch besonders gesegnet, und nicht zufällig wird dies in UBF ja auch „Glaubensheirat“ genannt. Die Neigung zum magischen Denken – im Gegensatz zur westlichen, wissenschaftlichen, rationalen, logischen Denkweise – könnte mit dem Schamanismus zusammenhängen, der neben dem Konfuzianismus Korea ebenfalls tief geprägt hat. In dem klassischen Buch von Robert Jay Lifton über Gedankenreform und die Psychologie des Totalitarismus wird als eines der acht hierfür typischen Kennzeichen „mystische Manipulation“ aufgeführt. Es scheint, dass die koreanischen UBF-Mitglieder hierfür besonders anfällig sind. Auch werden oftmals völlig irrationale oder fehlende Begründungen, Widersprüche und Ungerechtigkeiten mit einer für westliche Menschen frappierenden Selbstverständlichkeit akzeptiert und übergangen.
Weitere Probleme, die sicherlich auf den koreanischen Ursprung der UBF zurückgeführt werden können, sind der aus einem Gefühl des Fatalismus und einem nationalen Minderwertigkeitskomplex als Gegenimpuls herrührende gewisse Größenwahn und der Wunsch, herrschen zu wollen. Auch die Neigung zu politischen Machtspielen, Parteigeist, Spaltungen und skrupellosen Intrigen sind in Korea wohlbekannt. Samuel Lee wollte mit Verweis auf diese Neigung zu Machtspielen unter Koreanern die Reformbewegung als ein typisch koreanisches Problem darstellen. An dieser Meinung mag ein Körnchen Wahrheit sein. In jedem Fall war Lee selbst dafür das beste Beispiel, ein Meister im Spielen solcher Machtspiele. Dass Korea ein idealer Nährboden für Sekten und raffinierte Sektenführer ist, zeigt unter anderem die auch als „Mun-Sekte“ bekannte „Vereinigungskirche“ des Koreaners Sun Myung Moon, die weltweiten Einfluss erlangt hat, aber nur eine über hundert verschiedenen Sekten mit Hunderttausenden von Anhängern in Korea ist. Man könnte sogar ganz Nordkorea als eine große Sekte ansehen, die ihrem „geliebten Führer“ Kim Jong Il und der Juche-Ideologie huldigt. Es hat sicherlich mit der koreanischen Mentalität zu tun, dass sich dieser religiös verbrämte Steinzeit-Kommunismus bis heute halten konnte. Auch viele der normaleren christlichen Gemeinden in Korea neigen zum Personenkult um den Pastor. Mitglieder sind häufig abhängig von ihm und darauf angewiesen, Orientierung von ihm zu bekommen. Die Leiter werden verehrt und sind daher oft sehr mächtig und sehr reich, und sie streben nach immer höheren Mitgliederzahlen, weil diese automatisch ihre Ehre, Macht und ihren Reichtum vergrößern. Die Mun-Sekte erinnert übrigens in mancher Hinsicht stark an UBF, insbesondere hinsichtlich der arrangierten Massenhochzeiten, die vor allem als Mittel zur Anbindung an die Sekte benutzt werden. Zwar reichte Samuel Lee auch in dieser Hinsicht noch nicht an die Dimensionen von Mun heran, aber in Chicago traute er auch schon einmal zehn Paare auf einmal, wobei wie bei Mun mehr oder weniger willkürlich vom Leiter selbst bestimmt wurde, wer wen zu heiraten hatte. Bei den Hochzeiten in Chicago sammelte Samuel Lee von jedem Brautpaar 2.500$ Heiratsgebühr in bar ein, obwohl er gesetzlich nicht autorisiert war, überhaupt in den Vereinigten Staaten Eheschließungen durchzuführen.
Die kulturelle Befangenheit in UBF ist umso tragischer, als UBF ja „Weltmission“ durchführen will. Die „Missionare“ der UBF machen dabei den gleichen Fehler wie viele frühere Missionare aus dem christlichen Abendland, die den Eingeborenen ihre eigene Kultur aufdrücken wollten. Jeder Missionar sollte sich völlig darüber im Klaren, wie sehr er von seiner jeweiligen Kultur geprägt ist, um unterscheiden zu können, welche Werte seiner Kultur christlich sind und welche kaum etwas mit dem Christentum zu tun haben, damit er das Evangelium weitergeben kann, und nicht einfach seine eigenen kulturellen Werte, die möglicherweise nicht einmal mit dem Evangelium in Einklang zu bringen sind. Ein Missionar sollte auch die Fähigkeit haben, sich soweit an eine fremde Kultur anzupassen, wie es mit echtem christlichen Glauben vereinbar ist. Auf die Probleme im grundsätzlichen Verständnis von Weltmission in der UBF wird in einem anderen Artikel genauer eingegangen.
Der konfuzianistische Hintergrund ist auch der eigentliche Grund dafür, dass eine Reform von UBF so gut wie unmöglich ist. Die Kritiker können nicht das volle Ausmaß der Verfehlungen der Leiter und Missstände in der Organisation beim Namen nennen, weil sonst diese Leiter und damit sie selbst Gesicht verlieren würden. Die Angst davor, Gesicht und Autorität zu verlieren, verbietet reformgesinnten Leitern auch, die Fehler zuzugeben, die sie selbst in ihrer Zeit als Leiter der UBF gemacht haben, und diese Zeit gründlich aufzuarbeiten. Stattdessen lief es immer, wenn die Unstimmigkeiten zu groß wurden, auf eine Spaltung hinaus, wobei am Ende nicht einmal mehr die Beteiligten sagen können und wollen, warum man sich eigentlich gespalten hat. Die nach der letzten Reformbewegung im Jahr 2001 von der UBF abgespaltene „Campus Mission International“ (CMI), die von ehemaligen UBF-Leitern geleitet wird, hat bis heute weder eine offizielle Begründung für die Spaltung veröffentlicht, noch ein Schuldeingeständnis oder eine Entschuldigung für die Fehler und den geistlichen Missbrauch in der Vergangenheit, noch eine Erklärung, wie man solche Fehler in Zukunft vermeiden will.
3. Leitung durch einen „Machtmenschen“
Die dritte unheilvolle Ingredienz, die UBF zu einem geistlich missbrauchenden System macht, ist die Tatsache, dass die gesamte Organisation von Samuel Lee, einem ausgesprochenen „Machtmenschen“ beherrscht wurde. Lee nannte sich „Generaldirektor“ der UBF und wurde als „der Knecht Gottes“ und „geistlicher Vater“ von seinen Anhängern geradezu verehrt. Man kann auch jetzt noch, nach dem tragischen Tod dieses Autokraten im Jahr 2002 davon reden, dass UBF von ihm beherrscht wird. Sein Geist herrscht weiterhin in UBF, und es wird noch Jahre dauern, bis seine Lehren und Methoden aus den Köpfen der Mitglieder verschwunden sein werden. UBF ist jetzt in einer ähnlichen Lage wie Nordkorea nach dem Tod des Diktators Kim Il Sung. Nachdem dieser das System einmal etabliert und ins Rollen gebracht hatte, und genügend Leute davon entweder indoktriniert waren oder davon profitierten (oder beides), lief es unbeirrt in den gleichen Gleisen genauso auch nach seinem Tod weiter. Neben Samuel Lee haben sich auch viele nationale Leiter und örtliche Gemeindeleiter in UBF zu kleineren oder größeren „Machtmenschen“ entwickelt, wobei sie seine Methoden übernommen und teilweise sogar verfeinert haben.
„Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut.“ Dieses bekannte Wort von Lord Acton gilt offenbar nicht nur für die Politik, sondern auch für autoritär geleitete Gemeinden. Wie viel Veranlagung als Machtmensch Samuel Lee bereits gehabt hatte, als er zu UBF kam, und wie viel er letztlich durch UBF zu einem Machtmenschen wurde, kann wohl niemand abschätzen. Dass er aber spätestens seit Mitte der 1970er Jahre zu einem voll entwickelten Machtmenschen geworden war, ist unumstritten. Und dass UBF die Geister, die er rief, nun nicht mehr los wird, ist auch mehr als deutlich geworden. Das UBF-System braucht ihn nun mehr nicht als treibende Kraft, es hat sich verselbstständigt. Dennoch muss man sagen, dass der latente Autoritarismus und Konfuzianismus der UBF nie zu einem solchen Problem geworden wäre, hätte es nicht Lee oder einen ähnlichen Machtmenschen gegeben.
Ein „Machtmensch“ ist jemand, der nur sich selbst liebt und dabei nach der Verehrung durch andere strebt und es vor allem einfach genießt, Macht über andere zu haben und auszuüben. Manchmal kommt auch Geldgier hinzu, wobei Geld aber wiederum hauptsächlich ein Mittel ist, diese Macht zu beweisen und zu erhalten, zum Beispiel um durch gezielte finanzielle Unterstützung von Anhängern diese zu beeinflussen, ihrerseits zu korrumpieren und abhängig zu machen. Lee kaufte Autos und Häuser für seine engsten koreanischen Spezis, um ihre Loyalität zu erkaufen. Lee schickte ihre und seine eigenen Kinder auf sehr teure Privatschulen und Universitäten. Da er keinen Beruf und Einkommen außerhalb von UBF hatte, wurde all dies letztendlich von Opfergeldern der Mitgliedern bezahlt, doch Lee erweckte immer den Anschein, als habe er alles großzügig aus seinem eigenen Privatvermögen bezahlt.
Hinter fast allen Sekten und totalitären „christlichen“ Gruppen stecken Machtmenschen, wie man sie sonst nur in der Gestalt von Diktatoren aus der Geschichte kennt. Es fällt schwer zu glauben, dass solche Machtmenschen auch in religiösen und gar christlichen Gruppen ihr Unwesen treiben. Vor allem viele Christen können sich nicht vorstellen, dass es solche Menschen in christlichen Gemeinden gibt, weil sie selbst und die meisten anderen Christen nicht derart veranlagt sind und keinen größeren Genuss aus der Machtausübung gegenüber anderen ziehen. Im Gegenteil lassen sie sich oft gerne von anderen beherrschen. Solche Menschen sind daher auch die idealen Opfer für Machtmenschen. Machtmenschen sind psychologisch bewandert, sie verstehen sich darauf, Menschen zu manipulieren und seelisch gefangen zu nehmen. Sie benutzen Tricks wie ständiges Lob oder Schmeicheleien (wodurch sie das Ego und den Stolz ihrer Opfer nähren), Einjagen von Angst („wenn du mir nicht gehorchst, oder die Gemeinde verlässt, wirst du von Gott verdammt“) oder Erzeugen von Schuldgefühlen, um ihre Opfer in einer psychologischen Falle gefangen zu halten. Viele unterschätzen die Gefahr von Machtmenschen und wollen nicht einmal an ihre Existenz glauben, dennoch gibt es auch in der Bibel viele Beispiele dafür, und fast alle Briefe im Neuen Testament warnen eindringlich vor derartigen Menschen, die sich in die ersten Gemeinden einschlichen und anfingen, sich dort als Leiter aufzuspielen. Paulus nennt sie in seinem zweiten Brief an die Korinther „Überapostel“. Diese Warnungen in der Bibel sollte man einmal ganz bewusst lesen.
In vielen christlichen Gemeinden ist erfreulicherweise das Bewusstsein für die Existenz und Gefahr von so genanntem „geistlichen Missbrauch“ gewachsen, und es gibt inzwischen sogar einige Bücher und Internetseiten zu diesem Thema. Das Phänomen von Machtmenschen in Gemeinden, auf deren Konto der meiste geistliche Missbrauch letztlich geht, wird dagegen vor allem in Amerika kaum wahrgenommen und zum Thema gemacht. Ein aufschlussreiches Buch zu diesem Thema stammt von Edin Løvås, einem in Skandinavien bekannten christlichen Leiter. Ihm ist aufgefallen, dass besonders im neupfingstlerisch-charismatischen Bereich häufig Gruppen und Gemeinden ohne demokratische Ordnung und Kontrolle entstehen, die sich um starke, angeblich direkt von Gott berufene Führergestalten sammeln, die sich häufig als Machtmenschen entpuppen. In seinem Buch „Wölfe in Schafspelzen – Machtmenschen in der Gemeinde“ schreibt er: „Die Einstellung, das Menschenbild und die Haltung des Machtmenschen werden in erster Linie davon bestimmt, dass er auf Macht aus ist. Er kennt nichts Schöneres, als zu herrschen. Machtmenschen haben den unbändigen Drang, die Herzen und Gedanken anderer zu lenken. Christliche Gemeinden und Kreise sind Bereiche, wo sie diesem Bedürfnis meist ungehindert nachgehen können.“ Kaum ein christliches Buch spricht dieses Thema so klar an, denn die meisten christlichen Autoren wollen lieber „Erbauliches“ verbreiten. Sie bemerken dabei nicht, dass selbst die Bibel nicht erbaulich ist, wenn es um das Thema Machtmenschen geht. Bereits im Alten Testament klagt Gott über „Hirten, die sich selbst weiden“ (Hes 34,10), und auch im Neuen Testament (z.B. Mt 7,15; Apg 20,29; 2.Kor 11,20; 3.Joh 1,9) wird klar und eindringlich vor den bereits genannten „Überaposteln,“ Irrlehrern und herrschsüchtigen Leitern gewarnt, von denen einige sogar beim Namen genannt werden. Wo es um solche Leute geht, findet man in der Bibel eine eindeutige, politisch durchaus inkorrekte Sprache (z.B. Mt 23, 2.Petr 2). Die meisten christlichen Buchautoren scheuen sich jedoch, ein solch „unerbauliches“ Thema zur Sprache zu bringen, weswegen die Existenz und Gefahr von Machtmenschen in der Gemeinde vielen Christen einfach nicht bewusst ist.
Wie aktuell das Buch von Edin Løvås und seine Warnung vor Machtmenschen in Skandinavien (aber nicht nur dort) immer noch ist, zeigte sich übrigens vor kurzem, als eine Pfingstgemeinde in dem schwedischen Ort Knutby, die sich unter der Leitung eines Machtmenschen in eine Sekte verwandelt hatte, durch einen mysteriösen Mordfall, in den eben dieser Gemeindeleiter verwickelt war, ins Licht der Öffentlichkeit geriet. Es zeigten sich dabei nicht nur unglaubliche kriminalistische Verwicklungen, wie sie sich selbst Agatha Christie nicht hätte ausdenken können, sondern der staunenden Öffentlichkeit wurde bewusst, welch kontrollierende und sektiererische Strukturen in einer christlichen Gemeinde entstehen können, die sich unter Leitung eines Machtmenschen vom Rest der Christenheit abgekoppelt hat. Der Fall löste auch eine Debatte über das Problem von bestimmenden Gemeindeleitern aus, die eine „starke apostolische Leiterschaft“ propagieren und jede Form von Demokratie in der Gemeinde mit der Begründung ablehnen, dass sie kein göttliches Prinzip sei. Leider wenden sich viele Menschen (besonders junge Menschen) auf der Suche nach starker Leitung, Führung und klarer Orientierung verstärkt solchen Gemeinden zu, in denen ihnen alles vorgegeben wird und der Leiter eine besondere „Salbung“ oder „Vollmacht“ zu haben scheint. Aussteiger aus der Gemeinde von Knutby berichteten übrigens sehr ähnliche Dinge, wie sie aus UBF bekannt sind. Insbesondere wurde dort auch von der Leitung bestimmt, wer wen heiraten sollte, genau wie in UBF.
Ein anderes Beispiel, das zeigt, wie weit Machtmenschen gehen können und wie ihre Gefährlichkeit im christlichen Umfeld unterschätzt wird, ist der Fall von Feroze Golwalla, der sich am renommierten christlichen Wheaton College in Chicago abspielte. Mehrere Zeitungen berichteten darüber, wie Golwalla unter dem biblisch klingenden Namen „Baruch Ha Shem“ und dem Deckmantel der Evangelisierung von unerreichten Menschen in Pakistan einen extremen Personenkult um sich selbst aufbaute. Obwohl die Mitglieder intelligente, erwachsene Studenten mit christlichem Hintergrund und Eifer für die Mission waren, gelang es Golwalla, sie ihm völlig untertan zu machen, von ihren Eltern zu entfremden, und selbst grotesken körperlichen Missbrauch zu ertragen, ohne Golwalla jemals in Frage zu stellen. Von den Eltern wird dem Wheaton College vorgeworfen, ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen zu sein, eine gefährliche Sekte in dem christlichen College geduldet zu haben, und trotz warnender Stimmen keinerlei Maßnahmen ergriffen zu haben. Das gleiche mangelnde Bewusstsein für die Sektenproblematik zeigte das Wheaton College, als es UBF ermöglichte, im Billy-Graham-Zentrum bei Wheaton Konferenzen abzuhalten, ohne zuerst genau zu prüfen, um was für eine Gruppe es sich handelt, und später die zahlreichen Warnungen ignorierte, die von ehemaligen Mitgliedern und anderen, wie dem wohlbekannten Sektenexperten Ronald Enroth und sogar einigen Dozenten am Wheaton College ausgesprochen wurden. Jemand, der noch nie selbst erlebt hat, auf welche geradezu dämonische Weise ein Machtmensch seine Opfer manipulieren und beherrschen kann, wird die Anhänger solcher Menschen schlicht für dumm halten und sagen, sie seien eben selber Schuld. Es wird dann die Mündigkeit und der freien Willen der Studenten oder die Religionsfreiheit als Grund dafür angeführt, warum man keine Maßnahmen ergreift oder klare Warnungen ausspricht. Dies ist eine zwar verständliche, aber gefährliche Haltung, die letztlich den Sekten hilft, weiter ungestört ihr Unwesen zu treiben und immer neue Opfer zu finden.
Psychologisch gesehen kann man bei Machtmenschen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostizieren. Auch bei Samuel Lee konnte man die Merkmale von Narzissmus deutlich ausmachen. Er hat UBF zu einem System gemacht, das letztlich ihm selbst alle Ehre gab. Ihm lag weniger die Weltmission am Herzen, als vielmehr die Expansion seines Systems der UBF, das ihm persönlich Macht und Ehre verlieh und dass ihn seine Minderwertigkeitsgefühle vergessen ließ. Dies durfte mit allen Mitteln geschehen, unter Missachtung der Gebote der Bibel und auch unter Verletzung der elementarsten moralischen und ethischen Maßstäbe, sowie der Menschenrechte. Der Zweck heiligt nach dieser Ideologie die Mittel, und der Zweck war lediglich, UBF zu vergrößern. Alles andere hatte keine Bedeutung. Daher gibt es in UBF auch keine Zusammenarbeit mit anderen Christen. „Kollateralschäden“ beim „Glaubenskrieg“ der UBF-Weltmission werden als unvermeidbar in Kauf genommen. UBF hat zahllose zerstörte Familien und Scheidungen verursacht, und viele haben wegen des geistlichen Missbrauchs, den sie in UBF erfahren haben, mit UBF auch ihren Glauben über Bord geworfen.
Samuel Lee war äußert geschickt darin, perfide Methoden zum „Training“ seiner Anhänger zu erfinden. Die vorgeschobene Erklärung für dieses „Training“ war, dass sie dadurch zu besseren Christen würden, aber in Wirklichkeit ging es nur darum, ihren Willen völlig zu zerbrechen. Nach der Bibel ist innerer Zerbruch vor Gott zwar notwendig für einen Christen, dieser Zerbruch darf aber nur durch Gott selbst herbeigeführt werden, durch die eigene Erkenntnis der Sündhaftigkeit, und geht immer mit einer inneren Heilung durch Gott und Tröstung durch den Heiligen Geist einher. Verheerend ist es jedoch, wenn solcher innerer Zerbruch nicht vor Gott, sondern vor und durch Menschen stattfindet und von ihnen erzwungen und manipuliert wird. Genau darauf sind Machtmenschen aber hinaus. Sie wollen „geistliche Krüppel“ erzeugen, die von ihnen abhängig sind. Bereits in ihrem offenen Brief von 1976 schilderten damalige Leiter der UBF einige der perfiden Methoden, mit denen sie von Samuel Lee „trainiert“ wurden. Sie mussten sich demnach z.B. gegenseitig schlagen, stundenlang nackt in eisigem Wasser sitzen, sich roten Pfeffer in die Augen streuen oder sich gar Zehennägel herausreißen. Mitglieder wurden gezwungen, sich gegenseitig zu schlagen, oder einen Spießrutenlauf zu veranstalten, bei dem man mit Stöcken geschlagen wurde. Aus den USA wurden weitere demütigende Behandlungen berichtet; so mussten sich etwa koreanische Männer auf Geheiß von Samuel Lee im Zentrum in einer Reihe aufstellen und gegenseitig die Unterwäsche kontrollieren. Oder es mussten sich Frauen vor Lee in seinem Büro bis auf die Unterwäsche ausgezogen wiegen lassen. Oder es wurde Frauen gesagt, sie sollten in sein Büro kommen, damit er sie mit einer Spritze ins Gesäß gegen Grippe impfen konnte, obwohl Lee kein Arzt war und eine Grippeimpfung von richtigen Ärzten am Oberarm vorgenommen wird. Solche Behandlungen wurde dann als Zeichen seiner besonderen Liebe und Fürsorge für gewisse Mitglieder gedeutet. Lee war auch noch stolz auf seinen Erfindungsreichtum, wenn es um unmenschliche „Trainingsmethoden“ ging. Im UBF-Newsletter von 1991 schrieb Lee selber ganz offen: „Unser Trainingsprogramm umfasste mehr als 20 Arten. Aber das Trainingsprogramm war nicht für Personengruppen geplant. Das Trainingsprogramm wurde auf individueller Basis zusammengestellt. Zum Beispiel … wollte jemand keinerlei Training annehmen. Wenn Training gegeben wurde, ließ er es auf diese oder jene Weise an sich abprallen. Um ihn zu lehren, dass es nicht gut ist, wenn man kein Training annimmt, sondern es an sich abprallen lässt, erhielt er Volleyball-Training. Er musste 3 Tage und Nächte ohne zu essen und zu schlafen einen Volleyball auf die Erde prellen. Danach ließ er nie mehr irgendein Jüngertraining an sich abprallen. Später wurde er ein äußerst demütiger Knecht Gottes und Direktor von UBF Kwangju.“ Auf diese Weise hat Samuel Lee eine Armee von „geistlichen Leitern“ erzeugt, die selber geistliche Krüppel sind, die missbraucht wurden, und nun andere missbrauchen.
Machtmenschen missbrauchen ihre angebliche geistliche Autorität. Man spricht auch von „geistlichem Missbrauch“, weil die hierdurch hervorgerufenen seelischen Verletzungen und Schäden durchaus mit denen von sexuellem oder gewalttätigem Missbrauch vergleichbar sind. Zahllose Berichte ehemaliger UBF-Mitglieder haben hauptsächlich diesen jahrelang an ihnen verübten geistlichen Missbrauch zum Inhalt. Durch die unselige Mischung der drei Elemente „Autoritarismus“, „kulturelle Befangenheit“ und „Leitung durch einen Machtmenschen“ ist UBF ein sehr gefährliches, geistlichen Missbrauch ausübendes System geworden, vor dem dringend gewarnt werden muss. Leider erkennen viele diese Gefahr erst, wenn es zu spät ist. Anfangs werden Mitglieder mit Liebe überschüttet („love bombing“) und mit Samthandschuhen angefasst. Erst wenn sie durch die erwähnten psychologischen Bindungen an UBF gekettet sind, und ihr Glaube an Gott und ihre Errettung in ihrer Vorstellung untrennbar mit der Mitarbeit in UBF verbunden und zu einer Einheit verschmolzen ist, wenn der Wille des Leiters für sie der Wille Gottes geworden und Gehorsam ihm gegenüber gleichbedeutend mit Gehorsam gegenüber Gott geworden ist, erst dann fängt der geistliche Missbrauch an.
Machtmenschen mischen sich nicht nur in die Beziehung der Gläubigen zu Gott ein, sondern sogar in Ehebeziehungen von Gemeindemitgliedern. Die Beziehung eines Mitglieds zu seinem Hirten oder dem Gemeindeleiter ist dann stärker als die Beziehung zu seinem Ehepartner. Hierfür gibt es ebenfalls zahlreiche Beispiele in UBF. Machtmenschen wie Samuel Lee können nicht nur diktieren, welchen Ehepartner man heiraten soll, sondern auch die Scheidung vom Ehepartner anordnen und ihn mit jemand anderem verheiraten, wenn ein Partner nicht mehr der UBF loyal ist, obwohl Scheidung in der Bibel eindeutig verboten wird. Samuel Lee wird sogar vorgeworfen, die Abtreibung von ungeborenen Kindern angeordnet zu haben. Gerade im Bereich der Ehe ist der geistliche Missbrauch in UBF besonders groß.
Das Problem der Machtmenschen in der Gemeinde kann nicht dick genug unterstrichen werden. Falsche Vorstellungen von Leiterschaft, falsche Gemeindestrukturen, Leichtgläubigkeit, Kritiklosigkeit, das Fehlen ordentlicher Kassenberichte usw. wären harmlos, wenn es nicht Machtmenschen gäbe, die genau dies ausnutzen. Es muss hier einschränkend angemerkt werden, dass die wenigsten Gemeindeleiter in der UBF selbst echte, voll ausgeprägte Machtmenschen sind, wie es Samuel Lee war. Doch gewollt oder ungewollt kopieren die meisten von ihnen seine Verhaltensweisen und halten das System des geistlichen Missbrauchs weiter aufrecht, das er etabliert hat.
Samuel Lee wurde von den Koreanern in UBF als „Mose unserer Generation“ angesehen und hat sich auch selbst mit Mose verglichen, besonders wenn er Anzeichen von „Rebellion“ sah. Er verwies dann gerne auf die Berichte in der Bibel, wie sich Korach und seine Anhänger gegen Mose auflehnten und wie sie daraufhin von der Erde verschlungen wurden, oder wie Mirjam aussätzig wurde, nachdem sie gegen Mose geredet hatte. Hierzu ist zu sagen, dass ein Gemeindeleiter, der sich mit Mose gleichsetzt, das Evangelium außer Kraft setzt. Wenn überhaupt jemand den Titel „Mose unserer Generation“ haben könnte, dann kann dies nur Jesus sein. Es gibt hier tatsächlich verblüffende Parallelen. Mose war nicht nur Anführer, sondern auch Retter des Volkes, wie auch Jesus schon seinem Namen nach der „Retter“ ist. Unter Mose wurde das Passalamm geopfert; Jesus selbst war das Lamm Gottes. Die Bibel sagt über Mose, dass er ein sehr demütiger Mensch war, mehr als alle Menschen auf Erden, und Jesus sagt ebenfalls über sich, dass er sanftmütig und von Herzen demütig ist. Mose fastete 40 Tage in der Wüste auf dem Berg Sinai, bevor er dem Volk die Zehn Gebote verkündigte. Jesus fastete ebenfalls 40 Tage in der Wüste, bevor er anfing, öffentlich zu predigen. Zu Mose wurde gesagt – und dies wird im Neuen Testament wiederholt und auf Jesus bezogen: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen.“ Der Einzige, der nach der Bibel als ein „Mose für unsere Generation“ angesehen werden könnte, ist demnach Jesus. Wobei das Neue Testament allerdings auch auf den großen Unterschied zwischen Mose und seiner Zeit – der Zeit des Gesetzes – und Jesus und seiner, unserer Zeit – der Zeit der Gnade hinweist: „Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Das höchste, was man von einem Menschen erwarten kann, der sich als ein neuer Mose aufspielt, ist eine neue Form von Gesetzlichkeit. Und genau die bekommt man in UBF.
Die bitteren Früchte dieser Mixtur
Die drei oben erläuterten Ingredienzien sind die Hauptbestandteile des gefährlichen Tranks, der in UBF zusammengebraut wurde. Die meisten problematischen Lehren, Praktiken und Methoden der UBF, die so negativ hervorstechen, und die zahlreichen berichteten konkreten Fälle von geistlichem Missbrauch und Verfehlungen von Leitern in UBF sind nur noch die bitteren Früchte dieser Mixtur. Einige der immer wieder sichtbaren und teilweise bereits aufgeführten Probleme seien hier noch einmal aufgelistet.
Die Probleme können sich in den verschiedenen UBF-Zentrum natürlich etwas unterschiedlich darstellen und sind nicht immer gleich extrem ausgeprägt, je nach dem Leiter, der immer den größten Einfluss ausübt. Leiter, die zu stark von der „Parteilinie“ abweichen, werden allerdings früher oder später vom Hauptquartier abgesetzt (wie es z.B. in Toledo und Moskau geschah) oder verlassen von selbst irgendwann die UBF, wie es bei etwa der Hälfte der UBF-Zentren in der letzten Reformbewegung geschah. Im Großen und Ganzen sind sich die UBF-Zentren aufgrund der geschilderten Mechanismen äußerst ähnlich, so dass man bei UBF manchmal den Eindruck eines Franchise-Unternehmens bekommt. Es dauert aber manchmal sehr lange, bis man durch die scheinbar freundliche und angenehme Fassade hindurchschaut und mit der verborgenen, „dunklen Seite“ der UBF konfrontiert wird.
- Trotz des Buchstabens „U“ in „UBF“, der für „Universität“ steht, geht UBF in keiner Weise auf die speziellen Bedürfnisse von Studenten ein oder bietet ein intellektuell ansprechendes Bibelstudium.
- Trotz des Buchstabens „B“ in UBF, der für „Bibel“ steht, gibt es eine erschreckende Geringschätzung und Unkenntnis systematischer Theologie. Das „Bibelstudium“ in UBF ist extrem oberflächlich und kann kaum als solches bezeichnet werden. Grundregeln der Hermeneutik, die historische Umwelt, klassische Auslegungen oder gar Ursprachen der Bibel werden nicht studiert. Es geht nur darum, mit Hilfe von vorgegebenen „Fragebögen“ die falsche bzw. einseitige UBF-Auslegung der Bibel immer tiefer zu verinnerlichen. Das offizielle Bekenntnis zur Bibel als oberster Richtschnur ist nur ein Lippenbekenntnis. Biblische Gebote und Richtlinien werden in Wirklichkeit durch UBF-Leiter regelmäßig ausgehebelt.
- Trotz des Buchstabens „F“ in UBF, der für „Freundschaft“ steht, herrscht in UBF ein Geist, der das Entstehen von echten Freundschaften eher verhindert. Sicherlich hat man plötzlich viele „Freunde“ in UBF, aber diese Freundschaften sind meist oberflächlich und an die Mitgliedschaft in UBF gekoppelt. Echte, verlässliche und tiefe Freundschaften dagegen gibt es kaum. Gründe hierfür sind neben dem Autoritarismus der häufige Vertrauensmissbrauch in UBF, die förmliche Anrede mit Titeln, die zeitliche Inanspruchnahme der Mitglieder, die schematische, hierarchische Zusammenarbeit, mangelnde Spontaneität, die „Stellungnahme-Vortrag-Versammlungen“, die keinen echten Gedankenaustausch zulassen, das von den Leitern geförderte Konkurrenzdenken und der Gedanke, dass man als Missionar gegenüber einem Einheimischen oder als Hirte gegenüber einem Schaf nicht eine allzu große Freundschaft aufbauen sollte, weil man dadurch die Autorität verlieren würde. Hinzu kommt mangelnde Toleranz gegenüber Ansichten, die nicht UBF-konform sind, und daher fehlende Offenheit und zu große Ängstlichkeit beim Gespräch.
- Mitglieder und Studenten, die man als Mitglieder gewinnen wollte, berichten regelmäßig über die in UBF extrem starke Aufdringlichkeit, Belästigung, Schikanierung, über häufige Schuldzuweisungen, Kontrolle und Zwang. Kritische Aussteiger berichteten gelegentlich von Schikanen wie Telefonterror selbst nach dem Ausstieg, andere, die für UBF weniger gefährlich erscheinen, berichten, wie sie nach dem Verlassen von UBF völlig vergessen und ignoriert wurden. Geistlicher Missbrauch in allen Facetten, wie er z.B. in den Büchern von David Johnson und Jeff VanVonderen thematisiert wird, findet in UBF ständig unterschwellig und manchmal auch in extremer Form statt. Die von anderen Sekten her bekannten typischen Methoden der Manipulation von Mitgliedern mit ihren entsprechenden negativen Auswirkungen auf ihre Persönlichkeit, wie sie etwa in den Büchern von Steven Hassan geschildert werden, findet man fast alle ebenfalls in UBF. Die eigene Persönlichkeit der Mitglieder wird nicht entwickelt, stattdessen entwickelt sich eine für die Gruppe typische „Sektenpersönlichkeit.“
- Heiraten werden arrangiert und kontrolliert, sind ausschließlich innerhalb von UBF erlaubt und nur der Leiter darf entscheiden, wer wen wann heiraten darf oder muss. In UBF wird diese äußerste Bevormundung mit dem Wort „Glaubensheirat“ verbrämt. Der Begriff motiviert die Mitglieder auch, sich dies gefallen zu lassen, denn wer möchte nicht zeigen, dass er Glauben hat? Was Glaube eigentlich ist, und an wen oder was man da eigentlich glaubt, ist natürlich eine andere Frage.
- UBF lehrt und propagiert viele weitere offensichtlich falsche oder bedenkliche Konzepte, die meist mit positiven, scheinbar biblischen Ausdrücken bezeichnet werden. Biblische Begriffe und Konzepte werden umgedeutet oder in Zusammensetzungen wie der „Glaubensheirat“ neu geprägt. Über jeden der folgenden Begriffe und die mehr oder weniger stark verdrehte und verzerrte Bedeutung, die in UBF damit verbunden wird, könnte man einen eigenen Artikel schreiben: Hirte, Jünger, Frucht, Liebe, Glaube, Berufung, Gehorsam, Ehe, königliche Priesterschaft und heiliges Volk, Gemeinde, Hausgemeinde, Weltmission, Missionar, „Vision“, „Abraham des Glaubens“, „Glaubensmutter“, „Gottes Werk“, „Knecht Gottes“, „absoluter Gehorsam“, „geistliche Ordnung“, „geistliches Erbe“, „Krippenwerk“, „Hirtenherz“, „Jüngererziehung“. Die auf diese Weise erzeugte redefinierte oder beladene Sprache macht es Mitgliedern unmöglich, klar und unvoreingenommen zu denken. Wenn man in UBF die Bibel liest, werden Wörter und Phrasen sofort mit dem Gedankengut der UBF assoziiert und im Kontext der UBF-Deutung verstanden.
- Es gibt in UBF ein völlig falsches Verständnis von Autorität: Die Leiter haben einfach Autorität dadurch, dass sie Leiter sind; sie müssen sie diese nicht verdienen, und ihre Autorität erstreckt sich auf viel zu große, unangemessene Bereiche. Sie mischen sich in persönliche Lebens-, Gewissens- und Glaubensentscheidungen ein, die alleine der einzelne Gläubige treffen darf, übernehmen eine Mittlerrolle, die sie nur Gottes Sohn Jesus Christus gebührt, eine Führungsrolle, wie sie nur der Heilige Geist haben sollte, und fordern Gehorsam, wie es nur Gott, der Vater tun kann.
- Der Begriff des „absoluten Gehorsam“ ist in UBF beliebt, und ein solcher absoluter und blinder Gehorsam wird von Leitern und Hirten vielfach eingefordert, oft mit alleiniger Berufung auf ihre Stellung in der Gemeinde. Gehorsam sollte sich vor allem aus dem Vertrauen gegenüber dem Leiter ergeben, und dieses Vertrauen muss wachsen und kann nicht erzwungen oder eingefordert werden. Vor allem darf kein absoluter Gehorsam gefordert werden, der verlangt, entgegen dem eigenen Verständnis und Gewissen zu handeln. Die Orientierung durch einen Leiter darf nie als unanzweifelbare Orientierung und Wille Gottes hingestellt werden, der absolut gehorcht werden muss. Doch genau dies wird in UBF getan. Man versucht zwar manchmal in UBF, es so darzustellen, dass der absolute Gehorsam nur Gott gegenüber zu leisten sei. Aber da einem in UBF die Leiter und Hirten ja den „Willen Gottes“ vermitteln, läuft es immer auf absoluten Gehorsam diesen Menschen gegenüber hinaus.
- Leiter in UBF meinen, keinerlei Rechenschaft für ihr Verhalten und ihre Entscheidungen ablegen zu müssen. Sie übernehmen auch keine Verantwortung, wenn ihre autoritären Anweisungen und Orientierungen zu Problemen führen sollte, wenn etwa das „Training“, der ausgeübte Leistungsdruck, die Schuldzuweisungen oder fehlende und falsche seelsorgerliche Beratung eines psychisch labilen Mitglieds zu seinem Selbstmord führen, oder wenn sich die Partner bei einer arrangierte Heirat als völlig inkompatibel miteinander erweisen sollten und eine solche Ehe zur Hölle wird oder mit Scheidung endet. Solche Fälle hat es bereits mehrfach gegeben. Je höher ein Leiter in der UBF-Hierarchie steht, umso mehr Macht und Verantwortung hat er, aber umso weniger muss er Rechenschaft ablegen. Während jedes „Schaf“ noch Rechenschaft darüber ablegen muss, warum es etwa nicht oft genug auf dem Campus „einladen“ geht, oder den „Zehnten in voller Höhe“ bringt, oder versäumt, „Stellungnahme“ zu schreiben oder zum „Zweierbibelstudium“ zu erscheinen, braucht ein Leiter nur dem nächsthöheren Leiter gegenüber Rechenschaft abzulegen, und der oberste Leiter ist entsprechend in einer Position, in der er niemandem mehr Rechenschaft ablegen muss – eine völlig verkehrte Welt, die aber von den meisten Mitgliedern als gottgegeben hingenommen wird.
- Insbesondere wird normalerweise keine Rechenschaft über die Höhe und Verwendung der eingesammelten Opfergelder abgelegt. Schon auf der Ebene der lokalen Gemeinden haben die Mitglieder meist keinen Einblick in die Finanzen, und je höher man in der Hierarchie der Gemeinden kommt, umso undurchschaubarer wird der Geldfluss. Niemand weiß genau, wie viele Millionen von Dollars sich im Hauptquartier angehäuft haben, wo viele Geldströme zusammenlaufen. Der oberste Leiter kennt allein diese Geldströme und geheimen Konten, kann allein über das Geld verfügen und es zum Ausbau seiner Macht oder zur persönlichen Bereicherung von sich und seinen treusten Anhängern missbrauchen. Die Kinder dieser Leite werden häufig mit diesem Geld an teure renommierte Universitäten geschickt. Bedürftige Menschen und Mitglieder, die sich oft vollzeitig der UBF-Mission widmen oder wegen UBF schlechte Arbeitsplätze in Kauf nehmen, werden dagegen so gut wie nie finanziell unterstützt.
- Die Leiter und die Organisation versucht, in allen Dingen unverbindlich zu bleiben, sodass die Frage der Verantwortlichkeit gar nicht erst aufkommt. Es gibt keine offiziellen und verbindlichen Richtlinien und Satzungen zur Gemeindeleitung, keine festgelegte Doktrin oder Ethik, kein offizielles theologisches System, auch keine schriftlichen Ausarbeitungen der Prinzipien und Methoden, nach denen UBF arbeitet, die man für eine unverzichtbare, kostbare Tradition und „geistliches Erbe“ des verstorbenen Leiters hält, und an denen man ohne Rücksicht auf Verluste auch in Zukunft festhalten möchte. All dies ist aber nirgendwo offiziell festgehalten. Die entscheidenden Dinge werden „zwischen den Zeilen“ gepredigt und die wichtigsten Regeln bleiben unausgesprochen. Man will erreichen, dass die Leiter in jedem Fall willkürlich entscheiden können, ohne an irgendwelche Standards oder Prinzipien gebunden zu sein. Auf Anfragen an die Leitung erhält man auch niemals eine klare, verbindliche und schriftliche Auskunft. Diese Vorgehensweise des sich nicht binden Wollens wird oft auch noch für geistlich gehalten. Man muss sich dabei aber klar machen, dass der christliche Gott sich gerade dadurch auszeichnet, dass er sich in schriftlich festgelegten Bünden und seinem Wort gegenüber den Menschen verpflichtet. Er übt keine willkürliche Herrschaft aus, für die er keinem Menschen Rechenschaft schuldet, und der sich jeder ohne Rückfragen unterwerfen muss, wie es etwa beim Gott des Islam der Fall ist.
- Aus den fehlenden Prinzipien resultiert eine extreme Situationsethik: Wichtig ist, was UBF nützt. Der Zweck heiligt die Mittel. Gut ist, was effektiv ist. Der Schein ist wichtiger als das Sein. Man versucht, das Image unter allen Umständen hochzuhalten und alle negativen Dinge zu vertuschen. Dabei werden auch Halbwahrheiten oder das Verdrehen der Wahrheit und wenn es sein muss, direkte Lügen als legitime Mittel angesehen.
- Ein deutscher Sektenbeauftragter brachte das Problem auf den Punkt: „Die Ethik von UBF lässt sich in einem einzigen Wort ausdrücken: Gehorsam. Oder genauer: Kadavergehorsam.“
- Als weitere treffende Zusammenfassung der Gesamtproblematik von UBF wurde „die völlige Geringschätzung der Menschenwürde in jeder Hinsicht“ genannt, die tatsächlich ein durchgängig sichtbares typisches Kennzeichen der UBF ist.
- Ein ehemaliges Mitglied fasste ihre Erfahrung in dem Satz zusammen: „Es gibt in UBF keine echte Liebe.“ Natürlich würde dies von den derzeitigen UBF-Mitgliedern vehement bestreiten. Sicherlich wird in UBF viel über Liebe geredet, und man behauptet, Liebe untereinander und zu den „verlorenen Schafen“ zu haben. Die Frage ist jedoch, wie echt diese Liebe ist und mit welcher Vorstellung der Begriff „Liebe“ in UBF beladen ist. In der Tat hat das Wort „Liebe“ in UBF überhaupt nicht den Stellenwert, den es in der Bibel hat. Statt „Liebe“ benutzt man in UBF dagegen häufig das Wort „Hirtenherz“. Ein „zerbrochenes Hirtenherz“ erlaubt es einem UBF-Leiter, die Mitglieder nach Belieben zu trainieren, zu schikanieren oder in Extremfällen sogar zu schlagen. Es komme nur auf die Motivation an, die Liebe sei. Offensichtlich ist aber, dass es sich hier nicht um echte Liebe handelt, wie sie in der Bibel in 1.Kor 13 beschrieben wird.
- Ein weiteres sehr grundlegendes Problem, bei dem man sich fragen kann, ob es eher Ursache oder Folge der anderen beschriebenen Probleme ist, ist das mangelnde Interesse an der Wahrheit in UBF, das oft geradezu erschreckend ist. Hiermit ist sowohl Wahrheit im Sinne von theologischer und biblischer Wahrheit, als auch faktische Wahrheit hinsichtlich konkreter Vorwürfe von Fehlverhalten und Missbrauch gemeint. Was wahr ist, scheint die Mitglieder von UBF absolut nicht zu interessieren, sie schaffen sich ihre eigene Wirklichkeit, die natürlich eine Illusion ist. Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass man sich gerade in Sekten, in denen man meint, die Wahrheit gepachtet und mit Löffeln gefressen zu haben, im Grunde gar nicht für die Wahrheit interessiert. Stattdessen hat sich die Wirklichkeit und Wahrheit nach dem auszurichten, was in der Sekte als Ideologie vorgegeben wird. Auch wenn man als Sektenmitglied ahnt, dass etwas nicht stimmen kann, versucht man nicht, der Sache auf den Grund zu gehen, sondern im Gegenteil z.B. mit Techniken des Gedankenstopps jede Infragestellung dessen zu vermeiden, was die Sekte behauptet, oder es mit der Realität zu vergleichen. Seine über Jahre hinweg lieb gewonnenen und gewohnten Vorstellungen sind einem Sektenmitglied meist kostbarer als die manchmal unangenehme oder unbequeme Wahrheit. Dieses für Sektenmitglieder typische Verhalten ist leider auch bei UBF-Mitgliedern nur allzu deutlich sichtbar.
- Obwohl in UBF auch oft der „Glaube“ betont wird, und obwohl man immer davon redet, wie Gott dies und das tut, meinen die Mitglieder der UBF, und besonders die Leiter, dass sie alles selber tun müssen. Es wird alles manipuliert, organisiert, trainiert, erzwungen und erzogen, und man sagt dann, dies sei „Gottes Werk“. Natürlich weiß man aber sehr gut, dass man alles selber gemacht hat, und ist auch entsprechend stolz darauf, auch wenn man dies offiziell nicht zugegeben würde. Sobald ein Leiter meint, ein „Problem“ bei einem seiner Schäfchen zu entdecken (wobei als das größte Problem mangelnder Gehorsam angesehen wird), greift er ein und manipuliert oder trainiert das arme Schaf. Er gibt damit Gott keine Chance, selbst zu wirken, und glaubt auch nicht daran, dass Gott selbst seine Kinder erzieht, wie es in der Bibel steht. Während sie ständig von ihren Untergebenen Glauben fordern, zeigen die Leiter hierin ihren eigenen starken Unglauben.
- Die Macht über andere oder Verehrung durch sie führte öfters zu Fällen von Ehebruch und sexuellem Missbrauch durch UBF-Leiter – selbst von Samuel Lee wurde dies berichtet – die aber vertuscht und selbst von Kritikern der UBF meist verschwiegen werden. Diejenigen, die davon wussten, wurden manchmal mit Geld zum Schweigen gebracht – Geld, das natürlich zuvor irgendwo als „Opfergeld“ eingesammelt worden war, denn die Leiter haben kein anderes Einkommen. Wichtig war wieder nur, dass der äußere Schein gewahrt bleibt.
- Obwohl das Gegenteil behauptet wird, dreht sich in UBF alles um Menschen, nicht um Gott. Menschen werden zu sehr mit Anerkennung überhäuft, besonders die obersten Leiter und neue Mitglieder, die schnell zu Predigern oder Kreisleitern gemacht werden. Die Gefahr für Mitglieder und Leiter, menschliche Anerkennung und Ehre zu suchen, ist erheblich. Einige Leiter haben regelrechte Personenkulte um sich aufgebaut. Die benutzten Titel wie „Hirte“, „Missionar“, „Dr.“, „Mutter“ oder „der Knecht Gottes“ bestärken diesen Trend in UBF, Ehre von Menschen zu suchen oder stolz auf sich zu sein.
- Jeder muss in die gleiche Rolle des „Hirten“ oder „Missionars“ passen. Wer nicht in diese Rolle passt, bleibt unglücklich und ein ewiger Versager. Verschiedene menschliche Begabungen und die biblische Lehre von verschiedenen geistlichen Gaben werden völlig missachtet.
- Die Mitglieder leiden unter ständigen Schuldgefühlen, dass sie nicht genug für Gott tun. Es gibt einen ewigen Kreislauf von wöchentlichen Stellungnahmen, in denen man Buße tut, versagt zu haben und verspricht, von nun an mehr zu tun.
- Es gibt eine starke Fixierung auf Zahlen. Man betet stets für bestimmte Anzahlen von Teilnehmern am Gottesdienst oder bei Konferenzen, für die Zahl von neuen Hirten, die man aufstellen möchte, die Zahl der Jünger, die man erziehen möchte oder die Zahl der Missionaren, die man aussenden möchte. Der Einzelne hat in UBF im Grunde keinen Wert. Man ist nur erfolgs- und leistungsorientiert wie bei einem großen Wirtschaftskonzern. Aktuelle Mitgliederzahlen und Zahlen über die Höhe eingesammelter Opfergelder werden allerdings meist geheim gehalten. Die Mitgliederzahlen, für die man betet, entspringen reinem Wunschdenken und die Mitglieder scheinen sich nie zu fragen, auch nicht nach 40 Jahren UBF, warum Gott diese in den Gebeten genannten Zahlen niemals auch nur annähernd erfüllt hat, sondern steckt sich immer neue, höhere Zahlenziele.
- Die fehlende seelsorgerliche Ausbildung der Leiter und „Hirten,“ der auf die Mitglieder ausgeübte Leistungsdruck und die erzeugten Schuldgefühle haben bei psychisch labilen Mitgliedern bereits zu zahlreichen Tragödien geführt. Samuel Lee’s seelisch grausame Trainingsmethoden führten dazu, dass sich eine koreanische UBF-Missionarin im Michigan-See ertränkte und ein junger Koreaner in UBF ums Leben brachte, indem er von einem hohen Gebäude sprang. Ein psychisch kranker Mann, der zehn Jahre UBF-Mitglied in Chicago war, tötete seine eigene Mutter. In UBF Heidelberg allein gab es vier Fälle von Selbstmord. Ein junger Student, der sich mit einer Überdosis von Schlaftabletten ums Leben brachte, war bereits vom dortigen Leiter als „Hirte“ eingesetzt worden. Wie auch bei den vielen fehlgeschlagenen arrangierten Heiraten, wurde die Verantwortung den Betroffenen allein zugeschoben, und der Leiter nahm an keiner der Beerdigungen teil. Hiermit soll nicht gesagt werden, dass UBF an allen stattgefundenen Selbstmorden die Hauptschuld trägt. Aber durch den Versuch, jeden in die Rolle eines UBF-Hirten zu pressen, auch psychisch labile Menschen, die eigentlich professionelle seelsorgerliche und psychologische Hilfe bräuchten, ist großes Unheil angerichtet worden. Über solche Fällen wird in UBF natürlich niemals berichtet; bei den UBF-Konferenzen werden nur „Lebenszeugnisse“ vorgetragen, in denen die „Erziehungsversuche“ der UBF angeblich positiv verliefen.
- Das aus geistlicher Sicht wohl schlimmste Problem ist, dass UBF in der Praxis die Rechtfertigung aus Werken lehrt. Auch wenn offiziell gelegentlich Rechtfertigung aus dem Glauben gelehrt wird, wird den Mitgliedern doch eingetrichtert, dass sie ihre Rechtfertigung und Errettung eigentlich nur erlangen und bewahren können, wenn sie fleißig als Mitglieder der UBF und mit ihren Methoden „Weltmission“ betreiben und sich den Lebensstil der UBF aneignen.
- Auch wenn man immer wieder beteuert, dass Methoden unwichtig seien, werden Mitglieder doch gezwungen, ihr ganzes Leben an diesen Methoden auszurichten: Wöchentliches Zweierbibelstudium mit seinem Hirten, weitere Studenten einladen und mit ihnen Bibelstudium machen, Schreiben und Vortragen von Stellungnahmen („Sogams“) in endlosen Sitzungen. Das Leben nach diesen strengen vorgegebenen Mustern und die völlige Verplanung und Reglementierung der Zeit verhindern spontane Entscheidungen, echtes geistliches Wachstum, Weiterbildung und Entwicklung der persönlichen Begabungen und geistlichen Gaben, positive Ausstrahlung auf die Familie und Außenstehende und ein Leben nach dem Gewissen und der Führung des heiligen Geistes.
- Das Leben nach Methode und Schema und der geforderte Gehorsam gegenüber den Leitern in fast allen Belangen führen zu einer starken Unselbstständigkeit der Mitglieder. Wenn man fast nie selber entscheiden muss, kann und will man es auch irgendwann einmal nicht mehr. Eigenverantwortung, Eigeninitiative, kritisches Denken und Analysieren, Kreativität und Spontaneität verschwinden immer mehr.
- In UBF gibt es eine extreme Missionszentriertheit, wobei Mission und Evangelisation aber immer nur im Rahmen von UBF und im Sinne einer Vergrößerung der eigenen Organisation angesehen wird. Alles, was hierzu nicht nützlich erscheint, wird ignoriert.
- Deswegen sondert man sich auch von anderen Christen ab, und arbeitet auch nicht mit christlichen Gruppen am gleichen Ort zusammen, die das gleiche Ziel der Studentenmission haben. Hierdurch wächst auch der Eindruck, etwas Besonderes zu sein. In UBF herrscht Exklusivität und ein starkes Elitedenken.
- Auch die Familie wird als Hemmnis für die Mission angesehen und ihr wird kaum ein Wert in sich beigemessen; Eltern, Ehepartner und Kinder werden vernachlässigt. Biblisch wäre, dass man entweder um der Mission willen gar nicht heiratet, oder aber, wenn man doch heiratet, dem Familienleben einen zentralen Platz im Leben einräumt. Das „Heiratsproblem“ scheint für Koreaner in UBF ein fixer Gedanke zu sein. Auch dieses ständige Beschäftigtsein mit dem Thema Heirat hat mit ihrem kulturellen und konfuzianistischen Hintergrund zu tun. Obwohl sie behaupten, dass Mission das wichtigste im Leben sei, wäre es für sie undenkbar, auf die Ehe zu verzichten, wie es etwa der Apostel Paulus tat. Es werden demzufolge ständig Heiraten arrangiert, aber den Mitglieder, die ein echtes Ehe- oder Familienleben führen wollen, werden Schuldgefühle eingeflößt. Dass christliches Leben familienzentriertes Leben bedeuten kann (Tit 2,4.5), wird nicht nur ignoriert, sondern es wird sogar behauptet, dass familienzentriertes Leben sündig sei. Auf diese Weise wurde von UBF in den Familien schon unsägliches Leid verursacht.
- Ebenso werden die Sakramente des Abendmahls oder der Taufe in UBF als unwichtig für die Mission angesehen. Es gibt hierfür keine offizielle Lehre oder Regelung, und sie wurden unter Samuel Lee und den meisten anderen Leitern einfach völlig ignoriert. Weder Lee noch Barry hatten in der Presbyterianischen Kirche die Erlaubnis zu taufen oder das Abendmahl auszuteilen, weil sie beide niemals ordiniert waren. Das könnte ein weiterer Grund für die Geringschätzung von Taufe und Abendmahl in UBF sein. Es wurde berichtet, dass seine Nachfolgerin Frau Barry zu ihrem siebzigsten Geburtstag eine Massentaufe veranstaltete, ähnlich wie Herr Lee vorzugsweise an seinem Geburtstag die Hochzeiten stattfinden ließ. Warum man plötzlich nach mehreren Jahrzehnten tauft oder ob dies nur ein einmaliges Ereignis war, wird den Mitgliedern nicht näher erläutert. Dies bleibt weiterhin der Willkür des Leiters überlassen und eine offizielle Lehre hierzu fehlt weiterhin.
- Jeder, der UBF tiefer kennt, kennt auch den „janusköpfigen“ Charakter der Organisation: Auf der einen Seite zeigt sie ein freundliches Gesicht, gibt vor, unverbindlich zu sein und überschüttet die Neuankömmlinge mit Freundschafts- und Liebeserweisen. Sobald man aber einmal etwas tiefer in die Organisation verstrickt ist, wird auch ihr anderes Gesicht sichtbar: Man wird bedrängt, beschuldigt oder gezwungen. Die scheinbare „Freundschaft“ schlägt in Autorität um. Es zeigt sich auch eine Doppelzüngigkeit: Leiter dürfen niemals kritisiert werden, während die ständige Kritik von Mitgliedern als „Jüngererziehung“ bezeichnet wird und an der Tagesordnung ist. Es gibt eine Zweiklassengesellschaft. Leiter müssen nicht „einladen gehen“, kein Bibelstudium machen, keine Stellungnahmen vortragen, nicht das Zentrum putzen und oft nicht einmal ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen, während sie all dies von ihren Untergebenen verlangen.
- Man ist in UBF als Mitglied auch einem ständigen Wechselbad der Gefühle unterworfen. Die Leiter arbeiten hier gerne mit Extremen: Jemand wird vor allen gelobt, erhöht, geehrt, es wird ihm gesagt, wie wichtig er ist, er wird als Prediger bei einer Konferenz aufgestellt und jeder beteuert ihm, wie sehr er ihn liebt. Wenig später wird er wieder öffentlich getadelt, ihm wird Faulheit, Ungeistlichkeit oder Undankbarkeit vorgeworfen, es werden ihm Schuldgefühle eingeflößt und die Liebe von vorher wird wieder entzogen. So schwanken viele Mitglieder ständig zwischen einem Gefühl des Stolzes und Schuldgefühlen, zwischen dem Gefühl, etwas Besonderes zu sein, und Schamgefühlen. Innerlich sind sie verwirrt und werden immer abhängiger von der Organisation und ihren Leitern.
- Gefühle werden in UBF auf der einen Seite als negativ und dem Glauben entgegenstehend gesehen und unterdrückt, insbesondere wenn instinktive Gefühle einen warnen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, oder wenn man zu viel Mitgefühl mit den „Schafen“ hat. Man gibt vor, dass man rein rational denke und Entscheidungen nur „aus dem Glauben“ treffe, nicht aus dem Gefühl. Andererseits gibt es aber in UBF das starke Bemühen, etwa auf Konferenzen oder im Zweierbibelstudium eine gefühlsbetonte Atmosphäre zu schaffen, in der die Teilnehmer so innerlich aufgewühlt sind, dass sie keine rationale Entscheidung treffen können. Auch wenn es äußerlich nicht so scheinen mag, und man diesen Eindruck vermeiden will, ist UBF in dieser Hinsicht als sehr „charismatisch“ einzustufen. Eine nüchterne und rationale Entscheidung nach der Erforschung des eigenen Gewissens und der Bibel wird nicht gesucht, sondern eine emotionale, spontane „Glaubensentscheidung“ (im absoluten Gehorsam gegenüber der „Orientierung“ des Leiters) ohne echte Grundlage oder aufgrund von „magischem Denken“. Eine solche Entscheidung wird oft in einer emotional aufgeheizten Atmosphäre herbei gezwungen. Die Shepherding/Discipling-Bewegung ist nicht zufällig in charismatischen Gemeinden aufgekommen, und in obigem Sinne hat UBF viel mit charismatischen Gemeinden gemeinsam. Es ist besonders problematisch, dass selbst Entscheidungen, die das ganze Leben betreffen, wie die Entscheidung, sich als UBF-Hirte zu verpflichten, als Missionar in ein vom Leiter bestimmtes fremdes Land zu gehen oder ein unbekanntes vom Leiter bestimmtes UBF-Mitglied zu heiraten, oft von Mitgliedern unter Druck gefordert werden, ohne ihnen genügend Zeit zum Nachdenken zu geben.
- In UBF ist auch eine starke Gesetzlichkeit zu beobachten. Die wöchentliche Teilnahme am Gottesdienst in UBF ist höchste und absolute Pflicht und einer der Gründe dafür, warum man als UBF-Mitglied keinen Urlaub machen kann, der länger als sechs Tage dauert. Fehlt man einmal beim Gottesdienst, wird man umgehend angerufen oder herbeigeholt. Auch das wöchentliche Bibelstudium ist eine absolute Pflicht. Insgesamt kann man aber sagen, dass es weniger um das Einhalten von Gesetzen an sich, als um das Gehorsamsprinzip geht.
- Die Atmosphäre der UBF fördert Heuchelei, insbesondere bei den heranwachsenden Kindern der UBF-Mitglieder, aber auch bei den Erwachsenen. Wahrt man den äußeren Schein, nimmt man an allen Veranstaltungen teil, erfüllt man seine Pflichten und die Kleiderordnung, so ist alles in Ordnung und man erhält Anerkennung – auch wenn das innere Seelenleben dunkel aussehen mag. Umgekehrt, fühlt man sich innerlich im Frieden mit Gott und seinem Gewissen, wird man häufig dennoch getadelt und beschuldigt, weil man nicht den Vorstellungen der UBF entspricht. Überhaupt scheint UBF viele negative Charaktereigenschaften von Mitgliedern, wie Arroganz und Stolz auf der einen Seite oder Minderwertigkeitskomplexe auf der anderen Seite eher zu verstärken, als diese charakterlich zu verbessern und zu reifen Christen heranwachsen zu lassen.
- Die erwähnte Doppelzüngigkeit der UBF findet sich in fast allen Bereichen wieder, auch in der Behauptung eine „Laienmission“ zu sein und in der Forderung eines “finanziell unabhängigen Lebensstils.“ Dies wird zwar von allen einfach Mitgliedern gefordert, auch von den Missionaren in sehr armen und unterentwickelten Ländern. Aber genau an diese selbst aufgestellten Forderungen halten sich die Leiter eben nicht. Sie lassen sich oft ihren gesamten Lebensunterhalt von UBF-Mitgliedern bezahlen, und die meisten der oberen Leiter sind inzwischen völlig von UBF abhängig. Sie können nichts anderes mehr machen, als UBF-Leiter zu sein, weil sie nichts anderes gelernt oder keine Berufserfahrung haben. Auch andere Kirchen und Gemeinden können sie nicht gebrauchen, weil sie keine theologische oder seelsorgerliche Ausbildung haben. Ein UBF-Leiter kann also nicht zurücktreten, denn er kann nirgendwo hingehen. Er würde nicht nur sein Ansehen und seine Macht in UBF verlieren, sondern auch seine finanzielle Lebensgrundlage. Die obersten Leiter könnten ihre Familien nicht mehr ernähren, ihre Häuser nicht mehr bezahlen, und ihre Kinder zu teuren Universität schicken, wenn sie zurücktreten müssten. Deswegen klammern sich diese UBF-Leiter auch so sehr an ihre Posten und versuchen, sie mit allen Mitteln zu halten. Sie sind gegen jede Art von Reform schon aus dem einfachen Grund, weil sie fürchten, in der Folge könnten sie von ihren Leiterpositionen abgesetzt werden. Wohin soll aber ein Leiter wie John Jun in Korea oder Abraham Lee in Deutschland gehen? Ohne das System UBF, das sie ernährt, und das der einzige Platz ist, an dem sie anerkannt werden, können sie nicht leben. Wäre UBF eine echte Laienmission, wie es behauptet wird, gäbe es solche Probleme nicht.
- Es gibt in UBF auch deutliche nationalistische und rassistische Tendenzen: Weiße, blonde Amerikaner oder Europäer werden als Mitglieder lieber gesehen als dunkelhäutige oder ausländische Studenten; innerhalb der UBF werden Koreaner höher geachtet. Das ursprüngliche Motto der UBF lautet „Bibel – Korea – Weltmission“.
- Der Ausstieg aus UBF ist fast immer ein traumatisches Erlebnis.
- Bis heute weigert sich UBF, diese Dinge zu untersuchen oder zu überprüfen, konkrete Fehler und Sünden der Leiter zuzugeben und das eigene System in Frage zu stellen. Bis heute hat sich UBF nicht bei den vielen ehemaligen Mitgliedern und ihren Angehörigen entschuldigt, die durch UBF verletzt oder missbraucht worden sind, oder deren Leben oder Ehe durch UBF zerstört worden ist. Die Opfer des Systems werden stattdessen als Gottlose, Verleumder und Rebellen dargestellt und abermals beschuldigt. Nach drei gescheiterten Reformversuchen stellt die völlige Unfähigkeit zu Einsicht und Buße in sich selbst eine wohl kaum mehr zu übersehende schlechte Frucht des UBF-Systems dar.
Diese negativen Erscheinungen sind nur ein Teil der Probleme, die aus Autoritarismus, Konfuzianismus und Leitung durch einen Machtmenschen entstanden sind, aber sie zeigen, dass diese Dinge nicht nur theoretisch problematisch sind, sondern vielfältige negative Auswirkungen in der Praxis haben.
Eine weitere Tragik hinter UBF ist der für viele Mitglieder scheinbare Mangel an einer Alternative zu UBF, der aus dem geistlichen Zustand unserer Landeskirche und vieler Freikirchen herrührt. Wenn sie nur ein wenig attraktiver und missionarisch aktiver wären und das biblische Evangelium verkündigen würden, dann hätten sektenähnliche autoritäre Gruppen wie UBF kaum Chancen, junge Menschen in ihren Bann zu ziehen. Viele Mitglieder sind von UBF eingeladen worden, ohne jemals zuvor das Evangelium gehört oder mit einer gesunden christlichen Gemeinde in Kontakt gekommen zu sein. Sie glauben daher, dass das, was sie in UBF sehen, biblisches Christentum sei. Die großen Kirchen haben durchaus eine Mitschuld daran, dass so viele Menschen in Sekten geraten, wenn sie ihnen keine echte Alternative anbieten. Viele Menschen haben Durst nach der Wahrheit, sie sehnen sich nach dem lebendigen Wasser des Evangeliums, und wenn ihnen niemand diesen Durst stillt, trinken sie notfalls das bittere, verdorbene Wasser der Sekten und versklaven sich den Sektenführern.
Quelle: https://web.archive.org/web/20041014095436/http://www.ubf-info.de:80/ubf/problems.htm
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